Werkzeuge

Bohrmaschine per Amazon: Sterben Baumärkte bald aus?

"Do it yourself" klingt zwar irgendwie nachhaltig, doch das Werkeln im eigenen Heim ist etwas aus der Mode geraten. Im Kampf um die jungen Kunden sehen sich die Baumärkte mächtigen Online-Gegnern gegenüber.
Von dpa /

Wie können klassische Baumärkte im Online-Zeitalter überleben? Wie können klassische Baumärkte im Online-Zeitalter überleben?
Bild: dpa
Ohne den heißen und trockenen Sommer hätten die deut­schen Baumärkte das Geschäfts­jahr 2018 gleich ganz vergessen können. Vor allem mit Hilfe des in der Dauer­hitze gefragten Garten­sor­ti­ments stiegen die Umsätze doch noch um schmale 1,6 Prozent auf 18,75 Milli­arden Euro. Die Branche befindet sich nach Einschät­zung des Obi-Geschäfts­füh­rers Franz-Peter Tepaß in einem "puren Verdrän­gungs­wett­be­werb" mit "brutal schnellen Verän­de­rungs­pro­zessen". Die Gegner sind aber längst nicht mehr der Markt auf der nächsten grünen Wiese, sondern mäch­tige Internet-Platt­formen wie Amazon.

Nennens­werte Flächen­zu­wächse gibt es bereits seit Jahren nicht mehr, auch 2018 wurden einige wenige der gut 2100 Märkte geschlossen. "Es gibt in Deutsch­land keine weißen Flecken mehr, inner­halb von 20 Minuten findet man überall einen Baumarkt", beschreibt der Obi-Manager die Situa­tion, an der auch die Pleite der Kette Prak­tiker nicht geän­dert hat.

Erste Anlauf­stelle für Bohr­ma­schine mitt­ler­weile Online-Shops

Wie können klassische Baumärkte im Online-Zeitalter überleben? Wie können klassische Baumärkte im Online-Zeitalter überleben?
Bild: dpa
In jedem Smart­phone findet man jeder­zeit die Ange­bote der Online-Platt­formen, die viele Konsu­menten als erstes aufsu­chen, wenn sie beispiels­weise über die Anschaf­fung einer Bohr­ma­schine nach­denken. Auf knapp vier Milli­arden Euro schätzen die Experten des Forschungs­in­sti­tuts IFH die schneller wach­senden Umsätze mit baumarkt­re­le­vanten Waren im deut­schen Netz. Nur ein knappes Fünftel davon holen sich die bekannten Ketten wie Obi, Horn­bach oder Bauhaus mit ihren Online-Auftritten. Der Löwen­an­teil bleibt bei Amazon.

Gefragt ist im Netz vor allem das Sorti­ment für Heim­werker und Garten­aus­stat­tung, zwei Felder, auf denen regel­mäßig auch die Discounter wie Aldi und Lidl mit Akti­ons­ware aktiv sind. Was allein den Baumärkten bleibt, ist der Handel mit Pflanzen und schwierig zu trans­por­tie­renden Baustoffen. "Kein Online-Händler beschäf­tigt sich mit einer Palette Zement", lautet dazu der Kommentar des Obi-Chefs Tepaß.

"Amazon holt sich immer zunächst die am einfachsten zu pflü­ckenden Früchte", pflichtet der Marke­ting-Professor Werner Rein­artz bei. Er verweist auf die Vorteile der Preis­trans­pa­renz und der viel­fäl­tigen Infor­ma­tionen über die Produkte, die Nutzer auf den Platt­formen finden können. Handelt es sich dann noch um ein leicht vergleich­bares Marken­pro­dukt, hat der statio­näre Handel mit seiner ungüns­tigen Kosten­struktur eigent­lich schon verloren.

Bera­tung und Schu­lung: Auch bei YouTube

Die Baumärkte haben sich daher nicht nur in ihrer Werbung darauf verlegt, ihre Kunden zu größeren Projekten zu ermu­tigen, sie zu infor­mieren, zu schulen und ihnen umfas­sende Ange­bote über das benö­tigte Mate­rial zu machen. Das sei auch drin­gend nötig, denn das Wissen um "Do it yourself" drohe gerade in der jüngeren Genera­tion zu verküm­mern, sagt BHB-Vorstands­spre­cher Ralf Bartsch. "Mit dem Handy kann man halt keinen Nagel in die Wand schlagen." Hilfe und Knowhow suchen die Jungen zuerst auf der Video-Platt­form YouTube und finden dort auch häufig Filme der Baumarkt­ketten.

Die Toom-Baumärkte der Rewe-Gruppe haben im vergan­genen Jahr mit kleinen, für einen kurzen Zeit­raum geöff­neten Läden in City-Lagen expe­ri­men­tiert, um Neues über die Wünsche junger Kunden zu erfahren. "Wir haben wert­volle Anre­gungen erhalten, die wir nun in unsere bestehenden Märkte einfließen lassen", sagt Toom-Chef René Haßfeld. Beispiele seien Blumen­erde zum Selbst­ab­füllen oder Farben in viel klei­neren Einheiten. Doch einen Weg zurück in die Innen­städte werde es schon wegen der hohen Laden­mieten nicht geben.

Gleich­zeitig verwan­deln sich die Baumärkte in Life­style-Zentren mit Coffee-Lounges, Wein­bars, Fein­kost­ständen und hoch­wer­tigen Imbissen. Die Curry­wurst­bude auf dem Park­platz reicht gerade in Ballungs­räumen längst nicht mehr aus. Multi­funk­tio­nale Flächen ersetzen idea­ler­weise die übli­chen Hoch­re­gal­straßen und sind regel­mä­ßiger Schau­platz von Grill-Events, Dübel­kursen und Tape­zier-Lehr­gängen. Und man muss noch nicht einmal selbst mehr Hand anlegen, wenn es nach einem weiteren Vorschlag des IFH Köln geht. Danach sollen die Baumärkte als Vermittler zwischen Kunde und Hand­wer­kern auftreten - Haupt­sache das Mate­rial stammt aus dem eigenen Haus.

Mehr zum Thema Online-Shopping