Privat-Netz

Diese deutschen Firmen wollen ein eigenes 5G-Netz

Die 5G-Mobilfunkauktion neigt sich dem Ende zu. Doch nicht alle Fre­quenz­blöcke kommen unter den Hammer - einen Teil hält die Bundes­netz­agentur für Unter­nehmen außerhalb der Mobil­funk­branche zurück.
Von dpa /

Insbesondere die Autoindustrie setzt auf eigene 5G-Campusnetze Insbesondere die Autoindustrie setzt auf eigene 5G-Campusnetze
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Bei der geplanten Vergabe lokaler 5G-Frequenzen stößt die Bundes­netz­agentur auf großes Inter­esse von deut­schen Indus­trie­kon­zernen und anderen Firmen. Neben BASF, Siemens, Bosch und der Deut­schen Messe wollen auch die Auto­kon­zerne Volks­wagen, BMW und Daimler Anträge einrei­chen und eigene Campus­netze betreiben.

Der Frank­furter Flug­ha­fen­be­treiber Fraport erwägt dies eben­falls. Seit März verstei­gert die Bonner Regu­lie­rungs­be­hörde 5G-Blöcke an vier Mobil­funk­kon­zerne, darunter die Telekom. Ein Teil des Spek­trums soll aber separat an andere Firmen vergeben werden, das entspre­chende Antrags­ver­fahren startet in der zweiten Jahres­hälfte.

Mehr Unab­hän­gig­keit von Netz­be­trei­bern

Insbesondere die Autoindustrie setzt auf eigene 5G-Campusnetze Insbesondere die Autoindustrie setzt auf eigene 5G-Campusnetze
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Hinter­grund dieses Behör­den­schrittes ist die Tatsache, dass Daten im heutigen Inter­net­zeit­alter immer wich­tiger werden. Mit lokalen Frequenzen - auch Campus­netz genannt - würden die Firmen unab­hän­giger von Netz­be­trei­bern, mit denen sie bisher zusam­men­ar­beiten - die Unter­nehmen hätten also die Daten­ho­heit, ohne dass ein externer Dienst­leiter gewis­ser­maßen am Steuer sitzt. Bei den Netz­be­trei­bern sorgt das Thema hingegen für schlechte Laune. Sie weisen darauf hin, dass die Regu­lie­rungs­be­hörde ihnen einen Teil des Geschäfts­ku­chens vorent­halte, zumal dies ihr Kern­ge­schäft sei.

Bei VW soll die Tech­no­logie für die Marke Volks­wagen schritt­weise umge­setzt werden. "Wir wollen zunächst einen Pilot­be­trieb etablieren, daraus lernen und dann lokale 5G-Netz­werke in den Fabriken ausrollen", sagt ein Spre­cher. Der Konzern will seine Ferti­gung so flexi­bler und effi­zi­enter gestalten. Das gilt etwa für die Vernet­zung der rund 5000 Roboter im Wolfs­burger Volks­wagen-Werk, aber auch weiterer Maschinen und Anlagen. Da der Soft­ware-Anteil in den Fahr­zeugen deut­lich steigt, wird zudem die Über­tra­gung großer Daten­mengen in die Fahr­zeuge nötig. Die 5G-Tech­no­logie biete eine Art "Soft­ware-Betan­kung" zu einem flexi­blen Zeit­punkt der Produk­tion. Als 5G-Stand­orte von VW werden Wolfs­burg und Zwickau favo­ri­siert.

5G im Produk­ti­ons­be­trieb

Bei der Tochter Audi laufen bereits Vorver­suche mit einer schon instal­lierten Funk­zelle - was fehlt, sind noch 5G-fähige Chips. Auch Porsche strebt an, ab 2020 bereits erste funk­ti­ons­fä­hige Infra­struk­turen in den Erpro­bungs­be­trieb nehmen zu können.

Daimler will 5G-Frequenzen eben­falls zur Daten­kom­mu­ni­ka­tion in der Produk­tion nutzen. Ferti­gungs­ab­läufe könnten opti­miert werden. Dazu gehören zum Beispiel die Verknüp­fung von Daten oder die Ortung von Produkten auf der Monta­ge­linie. "Dies ist für uns von hoher Bedeu­tung und bildet einen wich­tigen Baustein bei der Umset­zung der smarten Produk­tion der Zukunft", sagt eine Daimler-Spre­cherin.

Bei BMW kommt man ins Schwärmen beim Thema 5G, auch die Münchner wollen eigene Campus­netze. "Die hohe Zuver­läs­sig­keit und Sicher­heit des Netzes sowie die Über­tra­gung großer Daten­mengen in Echt­zeit bieten in der Produk­tion Vorteile" - zum Beispiel für die Anwen­dung von Virtu­eller Realität, für eine groß­flä­chige Vernet­zung von Maschinen und eine besseren Vernet­zung mit Liefe­ranten. Und was ist mit Siemens - will auch dieser Münchner Konzern ein eigenes Netz? "Absolut", so die Antwort: 5G erlaube "enorme Effi­zi­enz­stei­ge­rungen" und stärke den Inno­va­ti­ons­standort Deutsch­land. Wo eigene Campus­netze entstehen sollen, wird noch geprüft.

Selbst­fah­rende Trans­port­wagen bei BASF

Ähnlich wie BMW begründet BASF seine Absicht, beim Antrags­ver­fahren mitzu­ma­chen - vermut­lich für ein Netz auf seinem zentralen Standort in Ludwigs­hafen. "Wenn wir Auto­ma­ti­sie­rungs­an­wen­dungen umsetzen oder unsere Produk­ti­ons­an­lagen weiter digi­ta­li­sieren, sind [...] die Zuver­läs­sig­keit und Verfüg­bar­keit beson­ders wichtig", heißt es. Dies könne man mit einem lokalen 5G-Funk­netz errei­chen. Zum Beispiel für den Einsatz von selbst­fah­renden Trans­port­wagen wäre das rele­vant.

Und warum machen die Indus­trie­kon­zerne es selbst - warum vertrauen sie nicht der Exper­tise der Netz­be­treiber und lassen die machen? Durch ein eigenes Netz müsste man "sensible Produk­ti­ons­daten nicht Dritten zur Verfü­gung stellen", heißt es von Daimler. "Durch den Aufbau einer eigenen Infra­struktur können wir darüber hinaus im Fall einer Störung noch schneller reagieren und sind nicht auf externe Unter­stüt­zung ange­wiesen."

Bei BASF bewertet man eben­falls positiv, "dass wir über den Zeit­punkt des Ausbaus und die Qualität des 5G-Netzes entscheiden sowie Verfüg­bar­keit, Vertrau­lich­keit und Inte­grität unserer Daten wahren können". Mit welchen Firmen BASF hierbei zusam­men­ar­beitet, ist offen - dies könnten Tech­no­lo­gie­aus­rüster, klei­nere mittel­stän­di­sche Unter­nehmen aus dem Mobil­funk­be­reich oder auch Provider sein, heißt es. Ganz außen vor wären die Telekom, Voda­fone und Telefónica also viel­leicht nicht - aller­dings müssten sie neue Geschäfts­mo­delle für diesen indus­tri­ellen Bereich anbieten, wird gefor­dert.

Rahmen­be­din­gungen müssen stimmen

Auch auf dem Frank­furter Flug­hafen könnte bald ein eigenes 5G-Netz gebaut werden - entschieden ist das aber noch nicht. "Aktuell prüfen wir die Einfüh­rung und Nutzung der lokalen 5G-Tech­no­logie für unsere opera­tiven Prozesse", sagt eine Fraport-Spre­cherin. Hierfür seien unter­schied­liche Modelle denkbar, "von eigenen 5G-Frequenzen bis hin zur Nutzung eines 5G-Netzes durch einen Provider". Die verschie­denen Szena­rien würden nun "auf wirt­schaft­liche, tech­ni­sche und opera­tive Gesichts­punkte" unter­sucht.

Bosch will eben­falls beim Antrags­ver­fahren mitma­chen - aber nur "wenn die Rahmen­be­din­gungen stimmen", betont eine Spre­cherin mit Blick auf die tech­ni­schen Anfor­de­rungen und die Gebüh­ren­höhe, beides hat die Netz­agentur noch nicht fest­ge­legt. Mit dem Mobil­funk­stan­dard wolle Bosch "Indus­trie-4.0-Poten­ziale in den eigenen Werken noch besser ausschöpfen". 5G werde "zum zentralen Nerven­system", das eine Vernet­zung einer Viel­zahl von Sensoren, Maschinen und Menschen sicher­stelle - "zuver­lässig und in Echt­zeit", sagte die Spre­cherin. "Die Möglich­keit, mit Hilfe von lokalen Lizenzen private 5G-Netze aufzu­bauen, ist eine große Chance für Bosch und den gesamten Indus­trie-Standort Deutsch­land."

Der schwä­bi­sche Tech­no­lo­gie­kon­zern will in ausge­wählten Werken in Deutsch­land mit 5G starten, um prak­ti­sche Erfah­rungen zu sammeln - erst danach soll 5G in allen Werken ausge­rollt werden. Ein Projekt ist die sich gerade im Bau befind­liche Halb­lei­ter­fa­brik in Dresden, die von Beginn an 5G-fähig gemacht wird.

Andere Firmen wollen hingegen keine eigenen 5G-Netze haben - unter ihnen Bayer und der Duis­burger Hafen.

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