Frequenzauktion

Editorial: Kein 5G-Wettbieten in der Schweiz

Kann der Milliardenpoker auch in Deutschland verhindert werden? Oder droht ein erneutes Wettbieten um UMTS-Frequenzen?
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Funkmast mit zahlreichen Antennen Typischer Funkmast mit zahlreichen Antennen. Die 5G-Antennen befinden sich ganz oben (Mikrowellen) und in der zweiten Reihe von unten (C-Band, Massive MIMO)
Foto: teltarif.de
Deutschland liegt beim Mobilfunk-Netzausbau im internationalen Vergleich weit zurück, das ist inzwischen Allgemeinwissen und durch unzählige Messungen bestätigt. Einer der Gründe dafür sind die hohen Lizenzkosten. Im Jahr 2000 gaben die Mobilfunkfirmen beim 3G-Auktionswahnsinn zusammen fast 50 Milliarden Euro aus. Das viele Geld reduzierte zwar die Staatsschulden deutlich, fehlte in den Folgejahren aber für den Netzausbau.

Aktuell steht die Vergabe des zweiten von drei 5G-Frequenzpaketen an Das erste wurde bereits 2015 versteigert, das dritte Paket mit besonders hohen Frequenzen wird erst vergeben werden, wenn man sich über die dafür anzuwendenden Regeln geeinigt hat. Und es droht erneut ein Wettbieten, vor eineinhalb Jahren sprach die Politik gar von einem zweistelligen Milliardenbetrag, der möglicherweise erlöst werden wird. Das Geld würde dann erneut zum einen die Preise für die Mobilfunkkunden treiben, und zum anderen beim Netzausbau fehlen.

Zur Einordnung und zum Vergleich hilft ein Blick in die Schweiz: Dort ist letzte Woche die 5G-Auktion zu Ende gegangen. Alle Betreiber bezahlen umgerechnet zusammen "nur" 323 Millionen Euro für die 5G-Lizenzen. Rechnet man den Schweizer Auktionserlös gemäß dem Verhältnis der Bevölkerungszahl hoch (8,42 Millionen zu 82,79 Millionen), ergäbe sich daraus ein Preis von ca. 3,2 Milliarden Euro für Deutschland. Nimmt man hingegen das Bruttosozialprodukt (678,9 Milliarden US-$ vs. 3 677 Milliarden US-$) oder das Medianeinkommen für einen Vollzeitjob (6 502 CHF vs. 3 564 Euro, jeweils brutto) als Vergleichsmaßstab, beträgt der auf Deutschland hochgerechnete Auktionserlös lediglich 1,7 bis 2,0 Milliarden Euro.

Doch dieser Betrag muss noch korrigiert werden: Bei der Schweizer Auktion wurde auch das erste Paket der 3G-Frequenzen mit versteigert, das in Deutschland bereits 2015 auktioniert wurde, und für das die Netzbetreiber damals zusammen bereits 1,3 Milliarden Euro aufwendeten. Rechnet man mit dem niedrigsten Vergleichswert von 1,7 Milliarden Euro und zieht man die bereits investierten 1,3 Milliarden Euro wieder ab, dann wäre die kommende Auktion bereits bei unter einer halben Milliarde Euro beendet!

Auch UMTS wird neu versteigert

Funkmast mit zahlreichen Antennen Typischer Funkmast mit zahlreichen Antennen. Die 5G-Antennen befinden sich ganz oben (Mikrowellen) und in der zweiten Reihe von unten (C-Band, Massive MIMO)
Foto: teltarif.de
Nun stehen bei der kommenden Auktion nicht nur das zweite Paket der 5G-Frequenzen im Bereich von 3,6 bis 3,9 GHz zur Auktion, sondern es werden zugleich auch die 3G-Frequenzen im Bereich um 2,0 GHz erneut versteigert. Das sind ebendie Frequenzen, die bei der Rekordauktion im Jahr 2000 versteigert wurden. Werden für diese erneut Rekordpreise bezahlt werden? Wohl kaum. 3G war - im Gegensatz zu 2G und 4G - für die Netzbetreiber rückwirkend betrachtet kein Erfolg. Die Datendienste waren in 3G einfach zu langsam, die Investitionen zu hoch, die Sprachdienste bei 2G tendenziell eher besser.

Die Abkühlung der 3G-Euphorie zeigte sich bereits bei der Auktion 2010: Ein Drittel der 3G-Frequenzen wurde damals erneut versteigert, weil zwei von sechs Netzbetreibern (Mobilcom und Quam) es nicht geschafft hatten, ihre Ausbauverpflichtungen zu erfüllen. Die Neuversteigerung brachte damals lediglich einen Erlös von 0,35 Milliarden Euro. Rechnet man den damaligen Preis anhand der Laufzeit (damals 15 Jahre, nun erneut 15 Jahre für ein Drittel der Frequenzen, aber 20 Jahre für die anderen zwei Drittel) und der Inflation hoch, kommt man auf lediglich 1,4 Milliarden Euro.

Und selbst die genannten 1,4Ö Milliarden Euro dürften zu hoch gegriffen sein. Mindestens ein Netzbetreiber wird in den kommenden Jahren 3G ganz abschalten. Die dadurch freiwerdenden Frequenzen lassen sich zwar auch für 4G oder 5G nutzen. Doch mit 1,8 GHz (die zunehmend von 2G zu 4G migriert werden), 2,6 GHz (die bei vielen Netzbetreibern noch gar nicht bestmöglich ausgebaut sind) stehen weitere Frequenzbänder in der Nähe bereit, mit denen alle Netzbetreiber in Deutschland ausreichend ausgestattet sind. Telefónica/o2 ist zwar bei 1,8 GHz etwas schwach bestückt, dafür bei 2,6 GHz reichlich. Sie dürften den stärksten Drang haben, sich bei der aktuellen Auktion die langfristige Nutzung der ehemaligen 3G-Frequenzen zu sichern. Deswegen ein hartes Wettbieten anzuzetteln, dürfte sich angesichts der zu investierenden Milliardenbeträge aber für die anderen Netzbetreiber nicht rechnen.

Eine Einigung wäre einfach

Mit dem Vorbild der Schweiz, wo sich der Platzhirsch Swisscom am meisten Frequenzen sicherte, aber auch am meisten bezahlen musste, scheint eine kostensparende Einigung auch bei der deutschen Mobilfunkauktion möglich: Im 3,6 GHz-Bereich gehen 120 MHz an die Telekom, 100 MHz an Vodafone und 80 MHz (jeweils ungepaart) an Telefónica/o2. Und im Bereich um 2,0 GHz einigt man sich ganz demokratisch: Jeder bekommt ein Drittel, also 20 MHz (gepaart).

Mit dem genannten Ergebnis kann sich jeder als Gewinner der Auktion sehen: Die Telekom, weil sie am meisten Frequenzen erhält. Vodafone, weil sie ein Drittel des gesamten Kuchens bei 3, GHz erhalten und zusätzlich bei 2,0 GHz ihren Anteil von 15 MHz (gepaart) auf 20 MHz (gepaart) steigern können. Und Telefónica/o2, weil sie am wenigsten Geld ausgeben müssen und die Übertragung der freizuräumenden Frequenzen bei 2,0 GHz ggfls. bis 2025 verzögern können.

Der unbekannte Vierte

Also alles gut? Nun, es gibt noch einen Unbekannten im Boot: 1 & 1/Drillisch nimmt nämlich ebenfalls an der Auktion teil. Mit fast 9 Millionen Mobilfunkkunden hat der Konzern bereits eine Größe erreicht, ab der es sich rechnen kann, ein eigenes Netz aufzubauen, statt nur als virtueller Netzbetreiber aufzutreten. Allerdings sind die aktuell zur Verfügung stehenden Frequenzen für einen Neustart als Netzbetreiber wenig geeignet: An dem Start mit 2,0 GHz scheiterten Anfang des Jahrtausends bereits MobilCom und Quam, und die Frequenzen bei 3,6 GHz sind für einen flächendeckenden Netzausbau noch weniger geeignet.

Der zum Start verfolgte Ansatz, nur ein Citynetz betreiben zu wollen, ist eine der Altlasten, an denen Telefónica/o2 bis heute kränkelt. Hinzu kommt, dass die mit 5G sicher an vielen Orten notwendige Netzverdichtung schon zwischen den bestehenden drei Netzbetreibern zu einem Konkurrenzkampf um geeignete Mobilfunkstandorte führen wird, was einem Newcomer auch in der City den Aufbau nicht gerade leicht machen wird.

All das Vorgenannte weiß auch die Konzernspitze von 1 & 1/Drillisch. Nur warum geht sie dennoch zur Auktion? Nun, ein Grund könnte sein, dass sie sich so eine bessere Verhandlungsposition für künftige virtuelle Netzbetreiberverträge verspricht. So in der Art: "Liebe Telekom, liebe Vodafone, liebe Telefónica: 10 Prozent aller Deutschen haben bereits einen Handyvertrag bei uns, künftig werden es 15 Prozent sein. Überlasst uns einen entsprechenden Anteil Eures Netzes zu guten Konditionen oder wir treiben bei der anstehenden Auktion den Preis für Euer Netz gewaltig nach oben."

Hoffen wir, dass sich die Konzernspitzen der beteiligten Konzerne einigen, 1 &1/Drillisch gute MVNO-Verträge bei allen drei Netzbetreibern bekommt, die Netzbetreiber wiederum nur wenig Geld bei der Auktion lassen, und anschließend alle um so mehr Geld in den Netzausbau stecken. Denn nur so kommt Deutschland im Mobilfunkbereich wieder nach vorn.

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