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Editorial: Machen digitale soziale Netze depressiv?

Kaspersky diagnostiziert viele Depressionen unter Facebook-Intensivnutzern. Aber was ist Ursache und was ist Wirkung? Und wie könnte man diese auseinanderhalten?
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Machen Facebook und Co. depressiv? Machen Facebook und Co. depressiv?
Bild: dpa
Um es gleich vorwegzunehmen: Soziale Netzwerke sind für Menschen essenziell. Ohne Familie, Freunde und Bekannte geht es so gut wie allen Menschen schlecht. Als Einsiedler auf einer einsamen Insel zu leben, ist für die meisten Menschen keine erstrebenswerte Vorstellung.

Ebenso steht fest, dass computergestützte soziale Netzwerke reale Kontakte nicht ersetzen können. Egal, wie sehr man sich über einen Like auf Facebook freut: Mit anderen Menschen zusammen zu sein und gemeinsam zu lachen, ist einfach viel intensiver und dementsprechend wertvoller. So ist es kein Wunder, dass Psychologen immer wieder feststellen, dass Dauernutzer sozialer Netzwerke oft trotz eines riesigen virtuellen Freundeskreises real ziemlich einsam sind. Reduziert doch die viele Online-Zeit die Möglichkeiten, sich real mit Freunden zu treffen. Dass am Ende dann eine versteckte oder gar offene Depression droht, ist die logische Folge.

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Dennoch meine ich, dass es sich das Sicherheits-Unternehmen Kaspersky zu einfach macht, wenn es urteilt: Cyberneid macht depressiv. Denn es stellt sich immer noch die Frage, was zuerst war: Die innere Unzufriedenheit oder die exzessive bis missbräuchliche Nutzung sozialer Netzwerke. Denn warum sollte ein Mensch, der ein Netzwerk guter Freunde hat, die sie oder er regelmäßig trifft, plötzlich auf Facebook, Instagram und Co. verloren gehen? Ist es also nicht genau anders herum, dass Facebook und Co. die Depression von solchen Menschen nun "öffentlich" sichtbar machen, die sich früher komplett zu Hause vor dem Fernseher "versteckt" haben, jetzt aber zumindest in die digitale Öffentlichkeit wagen? Und kann die relative Sicherheit digitaler sozialer Netzwerke solchen Menschen vielleicht sogar nutzen?

Nun, ohne aufwändige Vergleichsstudien, bei denen randomisiert auf das Verhalten von Menschen eingewirkt wird (Beispiel: ein Teil der Studienteilnehmer bekommt Facebook-Verbot, ein anderer Facebook-Pflicht) lassen sich Ursache und Wirkung nicht auseinanderhalten und Schaden bzw. Nutzen nicht quantifizieren: Macht Facebook seine Dauernutzer depressiv? Oder sind Depressive einfach prädestiniert dafür, zu Facebook-Dauernutzern zu werden?

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