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Editorial: "Stay at Home" statt "Roam like at Home"

Discounter hebeln die EU-Roaming-Regulierung aus: Statt billiger wird EU-Roaming sogar wieder teurer. Ist das rechtens?
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EU-Roaming - oder lieber zuhause bleiben EU-Roaming - oder lieber zuhause bleiben?
Bilder: Fotolia.com - ArtmannWitte; electriceye / Montage: teltarif.
Diesen Sommer tritt die letzte Stufe der EU-Roaming-Regulierung in Kraft: Roam like at Home. Der Kunde soll ab 15. Juni beim mobilen Telefonieren im EU-Ausland nicht mehr bezahlen als im Heimatland. Da inzwischen bei den meisten Tarifen eine Flatrate für Inlandsgespräche und für die Datennutzung gilt, bedeutet das für die Kunden: Auch im EU-Ausland telefonieren und surfen sie flat.

Auf Großhandelsbasis, zwischen den Netzbetreibern und Wiederverkäufern, gelten hingegen weiterhin Roaming-Entgelte. Die vorhersehbare Folge: Insbesondere die Anbieter ohne Netz versuchen, ihre Kunden vom Roaming abzuhalten, da es sie Geld kostet. Die radikalste Version davon ist es, bei besonders günstigen Tarife Roaming kurzerhand komplett zu sperren. Wenn der Kunde im EU-Ausland nicht telefonieren und surfen kann, verursacht er auch keine Kosten. Will der Kunde doch in unseren Nachbarstaaten nicht auf den gewohnten Smartphone-Komfort verzichten, muss er bei den Discountern mit Roaming-Sperre erheblich teurere Tarife abschließen. Bei DeutschlandSIM kosten Tarife mit EU-Roaming beispielsweise 50 Prozent Aufpreis bei der Grundgebühr.

Teurer statt günstiger

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Bilder: Fotolia.com - ArtmannWitte; electriceye / Montage: teltarif.
Beim Tarife LTE 6000 liegt die Grundgebühr mit Roaming um 10 Euro monatlich höher als ohne Roaming. Hält sich ein Kunde beispielsweise über's Jahr verteilt einen Monat im EU-Ausland auf, und wählt er den genannten Tarif mit Roaming-Option, dann zahlt der Kunde am Ende 120 Euro dafür, dass er diesen einen Monat im EU-Ausland telefonieren und surfen kann. Das dürfte mehr sein als früher die durchschnittliche Roaming-Rechnung.

Die (reine) Inlandsnutzung kostet hingegen lediglich 20 Euro monatlich. Im konkreten Beispiel ist EU-Roaming also sechsfach so teuer wie die Tarifnutzung im Inland. Und bei Nutzern, die sich im Jahr weniger als einen Monat lang im EU-Ausland aufhalten, was die Mehrheit sein dürfte, ist das Verhältnis noch schlechter! Entsprechend dürften sich nur wenige Kunden für die EU-Roaming-Option entscheiden. Statt "Roam like at Home" erreicht die EU-Kommission also: "Stay at home".

Gut, die Kunden müssen nicht unbedingt zu Hause bleiben. Sie können statt der teuren Freischaltung der Roaming-Option sich für die Zeit des Aufenthalts im Ausland auch jeweils vor Ort eine günstige Prepaid-Karte zulegen. Diese ist dort oft sogar günstiger als eine vergleichbare Karte im Inland kostet. Für die Datennutzung ist es zudem kein Problem, dass auf der Karte eine andere Rufnummer hinterlegt ist. Normale Anrufe und SMS kommen dann im Ausland leider nicht an, aber schließlich gibt es ja WhatsApp und andere Messenger!

Ärger dürfte das Verhalten der Discounter hingegen bei der EU-Kommission auslösen: Eigentlich sollten beim Mobiltelefonieren endlich die Grenzen innerhalb der EU wegfallen, jetzt errichten die Netzbetreiber mit der Roaming-Sperre sogar neue Grenzen. Mit Sicherheit wird die EU-Kommission versuchen, mit regulatorischem Druck die genannten Discounter zur Wiederabschaffung der Roaming-Sperre zu bewegen. Ob ihr das gelingt, bleibt abzuwarten, und dürfte insbesondere davon abhängen, wie juristisch "wasserdicht" die EU-Roaming-Richtlinie ausgearbeitet worden ist.

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