Editorial: Wo Rabatt draufsteht, muss auch Rabatt drin sein
Bild: Martin Gerten/dpa Wer erinnert sich nicht an die aggressive Werbung der Praktiker-Baumarktkette: "Zwanzig Prozent auf alles - außer Tiernahrung"? Nun, in der Tat stürmten in den Rabattwochen jeweils die Kunden die Läden und nahmen so einiges mit. Die Konkurrenz, organisiert in der "Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs", fiel jedoch auf, dass in den Praktiker-Baumärkten jeweils am Samstag kurz vor Beginn der 20-Prozent-Wochen das Personal eifrig damit beschäftigt war, die Preise nach oben zu korrigieren. Diese Korrektur nach oben war teils sogar so hoch, dass die Ware selbst nach Abzug des 20-Prozent-Rabatts während der Rabattwochen immer noch teurer war als regulär.
Um Praktiker zur Unterlassung der irreführenden Werbung zu zwingen, unternahm die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs entsprechende Testkäufe, und klagte anschließend vor Gericht auf Unterlassung der 20-Prozent-Werbung, wenn die Artikel kurz vor Beginn der Rabattaktion entsprechend heraufgepreist wurden. Sie scheiterte mit diesem Ansinnen zunächst vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht Saarbrücken, hatte dann aber vor dem BGH Erfolg: Mit Urteil vom 20.11.2008 (Aktenzeichen I ZR 122/06) wurde Praktiker die irreführende 20-Prozent-Werbung verboten. Um sein wesentliches Marketing-Instrument beraubt, wurden die Baumärkte immer leerer. Wenige Jahre später ging die Kette pleite.
30-tägiger Vergleichszeitraum
Bild: Martin Gerten/dpa Doch nicht nur Praktiker warb mit nicht vorhandenen Rabatten. Zudem gibt es in vielen EU-Mitgliedsstaaten noch kein Verbot der Werbung mit irreführenden Rabatten vergleichbar dem deutschen UWG. In Richtlinie 2019/2161 legt die EU nun fest, dass Händler bei der "Bekanntgabe von Preisermäßigungen" auch den vorher verlangten Preis benennen müssen, und zwar den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage. Am Samstagnachmittag also die Preise erhöhen und am Montag dann mit 20 Prozent Rabatt auf den erhöhten Preis zu werben, ist nicht zulässig.
Legal bleibt es aber nach Richtlinie, mit einem stufenweise ansteigenden Rabatt zu werben. Wenn ein Kleidungshändler am Anfang des Winterschlussverkaufs mit 30 Prozent Rabatt wirbt und den Nachlass dann während der zwei Wochen für die immer noch nicht verkaufte Ware schrittweise auf erste 40, dann 50 und noch später gar 60 Prozent erhöht, dann ist das zulässig.
Unzulässig ist nach meiner Lesart der Richtlinie hingegen, zunächst eine 20-Prozent-Aktion zu fahren, dann zwei Wochen den Normalpreis zu verlangen, um die nächste 20-Prozent-Aktion anzuschließen. Hier müssen künftig mindestens 30 Tage seit der letzten Aktion vergangen sein.
Die oft anzutreffende Praxis, speziell für den Schlussverkauf Aktionsware zu beschaffen, die vorher nie angeboten wurde, die aber dennoch vom Hersteller mit einem rot durchgestrichenen Fantasiepreis und dem eigentlichen Aktionspreis gelabelt ist, dürfte ebenfalls illegal werden. Über die Praxis vieler Bettenläden, Teppichhändler und Möbelhäuser, wo sich Rabattaktionen (fast) nahtlos aneinanderreihen und man eigentlich nie den Normalpreis bezahlen muss, reden wir jetzt gar nicht erst, die ist grundsätzlich schon nach dem bisherigen deutschen UWG unzulässig.
Wo kein Kläger, da kein Richter?
Das Beispiel der unseriösen Teppichhändler zeigt aber auch die Bedeutung des bekannten Spruchs: "Wo kein Kläger, da kein Richter". Wenn eine ganze Branche überwiegend unseriös arbeitet, dann klagt auch keiner der Wettbewerber gegen die Konkurrenz, weil er selber genügend Angriffsfläche für Gegenklagen bietet. Die wenigen Unternehmen hingegen, die in der jeweiligen Branche doch seriös arbeiten, stellen in ihrer Kundenkommunikation dieses explizit als Vorteil heraus, und haben folglich ebenfalls kein Interesse, die Konkurrenz zum sauberen Handeln zu erziehen.
Im stationären Handel dürfte die neue Richtlinie folglich nur geringe Auswirkungen haben, auch, wenn sie selbstverständlich auch für diesen gilt. Nur in besonders krassen Fällen, wie den eingangs beschriebenen Praktiker-Baumärkten, wurden und werden Fake-Rabatte schon bisher geahndet.
Anders im Online-Handel: Abmahnanwälten ist es ein leichtes, per Roboter dauerhaft die Preise von abertausenden Online-Shops abzugreifen und anschließend auf Verstöße bei Rabattangaben hin zu durchforsten. Vor allem kleine Händler müssen also aufpassen, sich hier keine teuren Abmahnungen zu fangen. Große Onlinehändler verstecken sich hingegen auch künftig hinter komplizierten Firmenkonstrukten mit Sitz in den innereuropäischen Steueroasen, wo Verbraucherschutzklagen nicht gerade die allerbesten Erfolgsaussichten haben.