Themenspezial: Verbraucher & Service Dicke Rechnung

Editorial: Alte Masche, neu aufgelegt

Immer wieder schalten zwielichtige Anbieter Premium-Dienste auf vermeintlich normalen Nummern. Kassiert wird dann hinterher, per Rechnung an den Anschlussinhaber. Was kann man dagegen tun?
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Kein Ende in Sicht: Abzockversuche per SMS Kein Ende in Sicht: Abzockversuche per SMS
@ Vadim Grinco - Fotolia.com
Es gibt Meldungen, die müssen wir leider immer wieder bringen. Beispiel Abzocke mit Telefonsex: Schon Anfang 2000 warnten wir vor der Masche, Sex-Hotlines auf normale geographische Rufnummern zu schalten, und dem Anrufer später dann eine gesalzene Rechnung ins Haus zu schicken. Um die Adresse zu erfahren, wurden wohl öffentlich zugängliche Daten (Telefonbuch etc.) verwendet, oder der Anrufer einige Tage nach der Nutzung der Erotik-Line unter einem Vorwand zurückgerufen und nach der Adresse gefragt. Man wolle ihm ein gutes Angebot zukommen lassen. Statt des Angebots kam dann die Rechnung.

Ende 2003 dann wieder eine Meldung zum Thema, ebenso Mitte 2010, damals mit dem Unterschied, dass die "normalen Festnetznummern" im Ausland lagen. Diese Woche verbreitete nun die Bundesnetzagentur eine Pressemitteilung, dass sie die Abschaltung zahlreicher Rufnummern verfügt hat, weil von diesen die genannte Form der Abzocke immer noch oder schon wieder im Gange war.

Geändert haben sich im Lauf der Jahre nur die Preise, die auf der Rechnung stehen, die einem ins Haus geflattert kommt: Waren es Anfang 2000 noch 29,80 DM (ca. 15 Euro), war der Preis 2003 schon auf 66 Euro gestiegen. In den beiden letztgenannten Fällen wurden wohl gleich 90 Euro kassiert. Ganz schön viel Geld für das Abspielen einer Aufzeichnung, die sich kaum von dem unterscheidet, was man als Tonspur eines Internet-Porno auch kostenlos haben kann (es sei denn, man hat das Pech, eines der Opfer der Redtube-Abmahnwelle zu sein, aber auch die entpuppte sich als unberechtigt).

Klar kann man fragen: "Wer ist so dumm, und ruft bei Sex-Hotlines an?". Zumindest bei der aktuellen Welle wurden aber wohl zahlreich Lock-SMS mit Kontaktanfragen verschickt, die, da sie von "normalen" Rufnummern ausgingen, die Kunden zum Rückruf veranlassten. Damit erreichten sie aber mitnichten die vermeintlichen Absender, sondern Flirt- oder Erotik-Lines. Auch die in der Vergangenheit tätigen Anbieter gingen in ihrer Werbung wenig zimperlich vor.

Zu viele "Kunden" zahlen

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Funktionieren kann die Masche nur, weil ein erheblicher Teil der überrumpelten "Kunden" die Rechnung zahlt, ob nun aus Scham, oder, um einfach Ruhe zu haben. Würden alle die unverlangte Rechnung in den nächsten Papierkorb werfen, dann würden die Betrüger nicht mal das Porto wieder reinholen, das sie für den Versand der Briefe mit den Rechnungen und Mahnungen bezahlen müssen.

Die Abschaltung der Rufnummern durch die Bundesnetzagentur ist zwar gut gemeint, aber sie führt letztendlich nur zu einem Hase-und-Igel-Spiel: Schon die hohe Zahl von über 500 betroffenen Rufnummern zeigt, dass die Anbieter für jede Nummer, die ihnen weggenommen wird, anscheinend sofort zwei neue schalten, mit denen sie die Masche dann weiterverfolgen. Auch das Rechnungslegungs- und Inkassoverbot, das die Bundesnetzagentur gegen die Telecom Billing Ltd. aus Sofia/Bulgarien ausgesprochen hat, dürfte nicht viel Wirkung zeigen. Würde sich die Firma an die Spielregeln halten, würde sie ja auch keine Lock-SMS schicken, und ihre Premium-Dienste unter Premium-Nummern anbieten.

Dauerhafter als die Abschaltung von Nummern wäre wahrscheinlich ein Strafverfahren gegen die Hintermänner der genannten Firma. Leider vergehen erfahrungsgemäß meist mehrere Jahre, bis es zu einem strafrechtlichen Urteil kommt. Bis dahin können die Täter weiter agieren und die Bevölkerung zunächst mit Spam-SMS und später mit ungerechtfertigten Rechnungen und Mahnungen traktieren. Dass die Täter möglicherweise in Sofia sitzen, beschleunigt das Verfahren sicher auch nicht.

Schneller und zielführender sind Filter in den Netzen, die die Spam-SMS entsorgen statt zustellen. Zwar wird sich nie verhindern lassen, dass die Täter einzelne, wie persönliche Nachrichten aussehende SMS einliefern. Sobald aber nicht nur einzelne SMS eingehen, sondern tausende, sollte automatisch die SMS-Bremse gezogen werden. Um die zahlreichen legitimen SMS-Massenversender nicht fälschlicherweise ebenfalls zu sperren, kann eine automatische Verhaltensanalyse nützlich sein: SMS-Absendernummern, die in der Vergangenheit schon häufiger für Masseneinlieferungen benutzt wurden, und über die es keine gehäuften Beschwerden gab, dürfen auch weiterhin große Mengen an SMS senden. Neue Nummern müssen sich ihre Reputation hingegen nach und nach aufbauen.

Gegen andere Formen der unlauteren Werbung für die Sex-Lines hilft der SMS-Filter freilich nicht. Am Ende ist also auf jeden Fall der Verbraucher gefragt: Wenn auf einer Seite im Stadtmagazin 20 Anzeigen für Erotik-Lines stehen, und 19 dieser Anzeigen eine teure 0900-Nummer bewerben und eine einzige eine scheinbar kostenfreie Nummer, dann sollten die Alarmglocken schrillen.

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