Überwachung

"Internetdaten bleiben schon heute weitgehend in Europa"

Der eco hält die Debatte um ein Schengen-Routing bei Daten für eine Scheindiskussion. Daten würden schon heute nicht unnötig durch die Gegend geschickt. Warum es außerdem technisch schwierig wäre, Leitungen anzuzapfen, zeigen wir Ihnen in einem Hinter­grund­bericht.
Aus Berlin berichtet Thorsten Neuhetzki

Glasfaserkabel übertragen unmengen Daten - aber nicht auf größeren Umwegen als notwendig. Glasfaserkabel übertragen unmengen Daten - aber nicht auf größeren Umwegen als notwendig.
Foto: teltarif.de
Der Internet-Brachenverband eco hält die Diskussion um ein nationales Internet oder ein Schengen-Routing für eine Scheindiskussion. Wie Vorstands­mitglied Klaus Landefeld heute bei einem Presse-Hintergrundgespräch in Berlin sagte, verließen schon heute die meisten Daten aus Europa, die für Europa bestimmt seien, die Außen­grenzen nicht. Eine Diskussion um ein nationales Internet zum Schutz vor einem Abgreifen von Daten durch ausländische Geheim­dienste sei irreführend.

Landefeld hält es für ausgeschlossen, dass Geheimdienste wie die NSA an zentralen Austauschknoten sämtliche Internetdaten abgreifen können. "Sie bräuchten dazu Datenleitungen mit der gleichen Kapazität wie die eigentlichen Daten", so Ladefeld. Über den von einer eco-Tochter betriebenen DE-CIX, dem größten Austauschknoten der Welt, werden derzeit 3,5 TBit/s übertragen. Neben einer Leitung mit derartigen Kapazitäten benötige man darüber hinaus Techniker, die gegen geltendes deutsches Recht verstoßen und die Leitungen entsprechend "heimlich" schalten würden.

Fernstrecken deutscher Anbieter laufen auch über Leitungen amerikanischer Netzbetreiber

Glasfaserkabel übertragen unmengen Daten - aber nicht auf größeren Umwegen als notwendig. Glasfaserkabel übertragen unmengen Daten - aber nicht auf größeren Umwegen als notwendig.
Foto: teltarif.de
Zu garantieren, dass deutsche Daten ausschließlich über physikalische deutsche Leitungen laufe, ist hingegen schwer. So könne gerade bei Fernstrecken immer wieder auf die Glasfaserstrecken von amerikanischen Anbietern zugegriffen werden, die auch in Deutschland tätig sind. So ist der weltweit größte deutsche Betreiber Level3 auch in Deutschland ein wichtiger Betreiber von Glasfaserstrecken.

Allerdings ist es aus Sicht von Landefeld nahezu unmöglich, sogenannte Dark-Fiber-Strecken abzuhören. Hier buchen Internetanbieter eine dunkle Glasfaserleitung bei einem Anbieter wie Level3. Die beiden Enden der Glasfaser werden jedoch vom Mieter betreut und entsprechende Technik aufgebaut. Unterwegs die Daten abzugreifen sei bei Dark-Fiber so gut wie unmöglich, da (beispielsweise) Level3 nicht an die Daten kommt, sondern sie nur transportiert. Level3 war im Rahmen der NSA-Affäre namentlich als Provider genannt worden, der Daten an die Geheimdienste liefert. Level3 dementierte die Berichte.

Auch nationale Anbieter bauen Netze über Landesgrenzen hinweg auf

Klaus Landefeld, eco-Vorstandsmitglied Klaus Landefeld, eco-Vorstandsmitglied
Foto: eco
Selbst rein nationale Provider beschränken sich im Netzausbau oft nicht auf ihr Land. So gibt es in aller Regel bei allen Glasfaseranbietern auch Übergabepunkte ins Ausland. Und einige Anbieter bauen auch selbst eigene Strecken im Ausland, etwa um ohne gemietete Leitungen Austauschpunkte erreichen zu können. Auch eine Umleitung von Daten über die USA hält Landefeld für abwegig. "In den Netzen in Europa sind die Knoten so gut verbunden, dass es keinen Grund gibt, sie über die USA zu leiten", sagt Landefeld, der 1998 mit Nacamar selbst einen Tier-One-Provider aufgebaut, aber dann verkauft hat. Und eine Umleitung von Daten über die USA würden Nutzer anhand der höheren Ping-Zeiten auch bemerken. "Hier lässt sich die Physik nicht brechen."

Im physikalischen Transport sei aus Sicht von Landefeld keine Verbesserung zu erzielen. Beim logischen Aufbau von Netzen, also der Verknüpfung verschiedener Datenringe eines Anbieters, sieht das anders aus. Zudem gibt Landefeld zu bedenken, dass eine Art Schengen- oder National-Routing gar nichts bringt, wenn es sich bei der Nutzung um prominente US-Dienste handelt. Vielmehr müssten sich politische Rahmenbedingungen ändern und die Speicherung deutscher Daten in der EU oder Deutschland erfolgen. Zudem müsste auch für deutsche Daten im Ausland das deutsche Recht gelten. In der Theorie ist das auch so, jedoch unterliegen amerikanische Firmen gleichzeitig auch amerikanischem Recht, geht es beispielsweise um die Herausgabe von Daten. "Dieses Problem kann in einer globalisierten Wirtschaft jedoch nicht rein national gelöst werden", so Landefeld.

Mehr zum Thema Backbone