Experten: Digitalisierung der Verwaltung bis 2022 gefährdet
Die Digitalisierung in Deutschlands Verwaltung kommt nur schleppend voran
Bild: picture alliance/Johannes Schmitt-Tegge/dpa
Die Bundesbürger müssen sich möglicherweise darauf
einstellen, dass die Digitalisierung der Verwaltungsdienstleistungen
länger als geplant dauert. Experten sehen das Ziel 2022 gefährdet. Wie die Zeitung "Handelsblatt" in der heutigen Ausgabe schreibt, ist der Grund vor allem
Personalmangel. Von rund 40 zusätzlichen Stellen im
Bundesinnenministerium sei erst eine besetzt. "Wir sind noch nicht an
dem Punkt, sagen zu können, dass das Ziel sicher erreicht wird",
sagte Johannes Ludewig, Chef des Nationalen Normenkontrollrates -
eines beim Bundeskanzleramt eingerichteten Beratungsgremiums der
Bundesregierung -, der Zeitung.
Die Digitalisierung in Deutschlands Verwaltung kommt nur schleppend voran
Bild: picture alliance/Johannes Schmitt-Tegge/dpa
Bund, Länder und Kommunen wollen den Bürgern bis spätestens Ende 2022
Verwaltungsdienstleistungen digital anbieten. Für viele Anliegen
müssten die Menschen dann nicht mehr zum Bürgeramt, könnten
beispielsweise ihr Auto von zu Hause ummelden oder Bafög vom Sofa aus
beantragen. Die Bundesregierung will vorangehen und bis Ende 2020
ihre Verwaltungsleistungen digitalisieren. Länder und Kommunen
bekommen etwas länger Zeit.
Es stehe viel auf dem Spiel, sagte Ludewig mit Blick auf die zwischen Bund, Ländern und Kommunen vereinbarte Arbeitsteilung. "Die föderale Staatsform hat viele Vorteile, aber jetzt muss unter Beweis gestellt werden, dass die Aufgabenteilung der Leistungsfähigkeit nicht entgegensteht."
Wirtschaftliche Nachteile drohen
Ludewig gehört bereits seit einiger Zeit zu den Mahnern in Sachen Digitalisierung. Bereits im Oktober vorigen Jahres hatte er gegenüber der Online-Ausgabe des Berliner Tagesspiegel Bedenken über die Umsetzung der Digitalisierung in der Verwaltung geäußert. Die Wirtschaft digitalisiere sich im internationalen Wettbewerb gerade auf "Teufel komm heraus" sagte er. Der öffentliche Sektor hingegen sei viel langsamer. So können man sich vorstellen, dass bald eine Situation eintrete, in der der Digitalisierungsgrad zwischen Wirtschaft und Verwaltung Jahrzehnte auseinanderliege. Das habe dann Einfluss auf die Effizienz der Wirtschaft. Im äußersten Fall riskiere man so negative Einflüsse auf Wachstum und Beschäftigung, warnte Ludewig im Tagespiegel.
Ein anderer Experte zeigte sich noch skeptischer. Martin Schallbruch, stellvertretender Direktor des Digital Society Instituts der Berliner Managementhochschule ESMT und bis 2016 Abteilungsleiter für Informationstechnik im Bundesinnenministerium, sagte dem "Handelsblatt": "Es ist einfach nicht zu schaffen."
Ein Land, wo Deutschland sich abschauen könnte, wie das mit der Digitalisierung funktionieren könnte, ist Estland. Die Esten gelten wie das gesamte Baltikum als Vorreiter der digitalen Verwaltung. Dort lassen sich fast alle Behördengänge bereits digital erledigen.