Digitalradio

Schulterschluss auf Veranstaltung: (Fast) alle für DAB+

Vertreter von Bund und Ländern, die öffentlich-rechtlichen Sender sowie einzelne Privatradios haben sich auf einer Veranstaltung in Berlin für eine schnellere Digitalisierung des Hörfunks ausgesprochen. Nur die Privatradioverbände kleben weiter fest an UKW.
Aus Berlin berichtet

Breiter Schulterschluss für DAB+ Breiter Schulterschluss für DAB+
Foto: Michael Fuhr
Vertreter von Bund und Ländern haben sich für eine schnellere Digitalisierung des Hörfunks ausgesprochen. Heike Raab, rheinland-pfälzische Staatssekretärin und Bevollmächtigte beim Bund und in Europa, für Medien und Digitales, sagte am Mittwoch mit Blick auf den Koalitionsvertrag: "Wir werden die Regelungen zur Interoperabilität in § 48 Telekommunikationsgesetz (TKG) angesichts der veränderten Anforderungen an den digitalen Hörfunk weiterentwickeln, um das Digitalradio als niedrigschwelliges Medium zu stärken." Raab kündigte auf der Netzwerkveranstaltung "DAB+ im Dialog" in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz eine neue Gesetzesinitiative an, die in Abstimmung mit dem Bund den §48 TKG neu fasst, wonach alle höherwertigen Radios künftig eine digitale Schnittstelle vorhalten sollen, zum Beispiel zum Empfang von DAB+.

EU-Richtlinie in Vorbereitung: Jedes Autoradio in der EU mit DAB+

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Foto: Michael Fuhr
Für das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ergänzte Ministerialdirektor Dr. Tobias Miethaner: "An DAB+ führt kein Weg vorbei. Wir werden über das Digitalradio Board alle Akteure einbeziehen, um bei der Digitalisierung des Hörfunks Fahrt aufzunehmen". Jedes in der EU verkaufte Autoradio könnte ihm zufolge schon bald Zugang zu digitalem Radioempfang bieten. Die EU strebe aktuell eine entsprechende einheitliche Regelung zur Interoperabilität an, sagte er. Mit einer solchen Richtlinie wären auch Autobauer dazu gezwungen, Digitalradio serienmäßig in ihren Fahrzeugen anzubieten. Über eine entsprechende Klausel für alle anderen Radiogeräte sollen dagegen die einzelnen Mitgliedsstaaten entscheiden.

Private: Keine UKW-Abschaltung

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sucht aktiv den Schulterschluss mit den Privaten und setzt auf eine hybride Strategie. Der neu gewählte Vorsitzende des Vereins Digitalradio Deutschland und Intendant von Deutschlandradio, Stefan Raue, sagte: "ARD und Deutschlandradio bauen DAB+ und IP als Nachfolger von UKW auf. Es wäre doch schon sehr schade, wenn im künftigen On Air Wettbewerb keine Frequenz für altbekannte und beliebte Privatradios mehr übrig wäre, weil chancenorientierte Veranstalter diese bereits besitzen. Denn UKW wird es nicht mehr ewig geben."

Der Privatfunk sieht das anders. Der analoge Verbreitungsweg UKW wird zwar durch die Liberalisierung auf dem Markt für Sendebetrieb und Antennen nicht billiger, sondern teurer. Trotzdem sei eine Abschaltung einzelner UKW-Frequenzen und ein Wechsel auf DAB+ für den Privatfunk ein absolutes Tabu, selbst wenn einige UKW-Frequenzen künftig unwirtschaftlich sein könnten. Das bekräftigten nochmals Klaus Schunk, Vorsitzender des Fachbereichs Radio im VPRT und Prof. Dr. Stephan Ory, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR). Ganz im Gegenteil: "Das Geld, das wir für UKW mehr ausgeben müssen, steht uns für die Digitalisierung des Hörfunks nicht mehr zur Verfügung", betont Ory. DAB+ und IP seien neue Chancen, sich auf dem Markt zu bewegen. Man brauche aber UKW als Sicherheit und Reichweitengarant, betonten beide. Das böse Wort "UKW-Abschalttermin" aus der Politik hätten sie gerne aus dem Vokabular gestrichen.

Privatradios erschließen neue Zielgruppen über DAB+

Trotz allem investieren immer mehr Privatradios in DAB+ und erschließen sich neue Zielgruppen: "DAB+ dient dem Aufbau unserer nationalen Marke. Mit Radio BOB erreichen wir Hörer auch weit über unsere UKW-Verbreitung hinaus." so Jan-Henrik Schmelter von der Regiocast GmbH. Mischa Salzmann, Geschäftsführer vom Funkhaus Bamberg, freut sich ebenfalls über die deutlich höhere Reichweite über DAB+. Damit würde man nicht nur viele Berufspendler versorgen, sondern auch neue, überregionale Werbekunden gewinnen.

Die Sächsische Landesmedienanstalt (SLM) will in Kürze weitere Kapazitäten für das digital-terrestrische Radio DAB+ ausschreiben. Das kündigte Martin Deitenbeck, Geschäftsführer der SLM, an. Laut Deitenbeck hätten noch mehr Veranstalter Interesse an einem Sendeplatz im Small Scale-Ensemble Freiberg angemeldet. Hier sind noch drei freie Sendeplätze vorhanden, die man ausschreiben wolle. Laut Deitenbeck gebe es auch den Wunsch vieler Interessenten für ein drittes Small Scale-Projekt in Dresden. Hierfür stünden der SLM aber momentan keine finanziellen Mittel zur Verfügung, somit bleibt es zunächst bei den Multiplexen in Leipzig und Freiberg.

Auch die landesweiten und regionalen UKW-Privatradios hätten Interesse an einem Simulcast auf DAB+. Der SLM stehen laut Deitenbeck hierfür drei regionale Kanäle zur Verfügung, die in Gesamtheit eine landesweite Abdeckung ermöglichen. Derzeit sei man jedoch noch in der Findungsphase, wie man die bestehende Regionalisierung der landesweiten Programme PSR und Hitradio RTL hier abbilden kann. Außerdem müsse vor einer Ausschreibung geklärt werden, ob man die Kapazitäten einzeln ausschreibt oder einen Plattformbetrieb ermöglicht.

DAB+: Zweiter Bundesmux soll 2019 starten

Obwohl die beiden im Auswahlverfahren unterlegenen Plattformbetreiber die Entscheidung der Landesmedienanstalten gerichtlich anfechten, rechnet Willi Schreiner, Geschäftsführer der von den Landesmedienanstalten bevorzugten Antenne Deutschland (Absolut Radio/Media Broadcast) damit, dass der zweite nationale DAB+-Digitalradio-Multiplex im Jahr 2019 endgültig starten kann. Inzwischen sei die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Leipzigs bestätigt, so dass Schreiner mit einer Entscheidung bis Sommer rechne. Sobald das Gericht den Sofortvollzug anordnet, lege man mit der Arbeit los, ungeachtet weiterer gerichtlicher Instanzen. Er habe bereits nach Räumlichkeiten in Berlin als künftigen Sitz des Plattformveranstalters gesucht.

Laut Schreiner wolle Absolut Radio die Hälfte des zweiten Bundesmuxes mit Eigenprogrammen selbst bespielen. Darunter sei als Novum ein Talkradio nach amerikanischem Vorbild. Die andere Hälfte der insgesamt 16 Sendeplätze wolle man an interessierte Veranstalter untervermieten. Der zweite Bundesmux sei das größte Privatradio-Invest der letzten Jahre und werde die bundesweite Programm- und Formatvielfalt massiv erhöhen.

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