DRM

Editorial: Wem gehört meine App?

Ein inter­essantes fran­zösi­sches Urteil zum Weiter­verkauf von Spiele-Apps könnte auch für E-Books und Smart­phone-Apps rich­tungs­weisend werden
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Wem gehört meine App? Wem gehört meine App?
@ liveostockimages---Fotolia.com
Das Pariser Tribunal de Grande Instance - das in Frank­reich wohl in etwa dieselbe Bedeu­tung hat wie das Land­gericht Berlin in Deutsch­land - hat in einem in der Gaming-Szene viel beach­teten Urteil entschieden, dass die Gaming-Platt­form Steam ihren Kunden den Weiter­verkauf von online erwor­benen Spielen ermög­lichen muss. Geklagt hatten fran­zösi­sche Verbrau­cher­schützer. Unmit­telbare Auswir­kungen hat das Urteil aller­dings erstmal nicht, denn Steam wird sicher in Beru­fung gehen. Der Instan­zenweg ist nicht nur in Deutsch­land, sondern auch in Frank­reich lang. Und bis ein abschlie­ßendes Urteil des EuGH gespro­chen ist, dürften noch Jahre vergehen.

Wie das Urteil des EuGH ausfallen wird, steht dabei eigent­lich heute bereits fest: Das Pariser Gericht hat zu Recht zugunsten der Verbrau­cher­schützer entschieden. Denn der aus dem deut­schen Copy­right-Recht bekannte "Erschöp­fungs­grund­satz" hat es auch in die EU-Copy­right-Richt­linie geschafft: Hat der Urheber eine Kopie seines Werkes an einen Verbrau­cher verkauft, sind damit seine wirt­schaft­lichen Ansprüche an dieser Kopie erschöpft. Natür­lich darf der Urheber (oder ein von ihm beauf­tragter Verlag oder Verwerter) weitere Kopien herstellen und an weitere Verbrau­cher verkaufen. Aber die Verbrau­cher dürfen die von ihnen erwor­benen Kopien eben­falls weiter­verkaufen, ohne, dass der Urheber dafür erneut die Hand aufhalten darf!

Käufer oder Dauer­mieter

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Es gibt auch keine unüber­wind­baren tech­nolo­gischen Hürden, die gegen den Privat­verkauf spre­chen: Steam müsste nur ein Webfor­mular schaffen, über das der alte Inhaber einer Lizenz diese an eine andere Person über­tragen kann. Und da Steam-Spiele bei jedem Aufruf ihre Lizenz online prüfen, wäre auch sicher­gestellt, dass even­tuell zurück­blei­bende Kopien des Spiels auf dem PC des Lizenz­verkäu­fers entwertet werden.

Steam wendet natür­lich ein, dass nach seinen AGB der Käufer eines Spiels gar kein Käufer ist, sondern nur so etwas wie ein Dauer­mieter. Hier gilt frei­lich: Wenn der Spiele-Kauf im Online-Shop so aussieht wie ein Kauf, dann ist er auch recht­lich ein Kauf, selbst, wenn die AGB das versu­chen, irgendwie umzu­defi­nieren. Und AGB-Gestal­tungen, die zwar dem Käufer sämt­liche Pflichten aus einem Kauf aufer­legen, ihm dann aber die Rechte aus einem Kauf vorent­halten, sind schon per se als Gestal­tungs­miss­brauch abzu­lehnen.

Recht­lich notwendig

Sicher ist es für Steam ein gewisser Aufwand, das Lizenz­über­tragungs-Webfor­mular einzu­richten. Nur: So lange sie auf der Lizenz­prüfung bestehen, müssen sie eben auch die Lizenz­über­tragung ermög­lichen, um die recht­lichen Vorgaben der EU zu erfüllen. Die Umset­zung dieser Vorgaben ist für viele Hersteller und Händler auch richtig kost­spielig, wie die Produk­tion von Diesel-Motoren, die die Abgas­grenz­werte einhalten, oder die Bear­beitung der zahl­losen Rück­sendungen aufgrund des zwei­wöchigen Rück­gabe­rechts in Online-Shops. Wenn Steam den Aufwand mit dem Lizenz­über­tragungs-Webfor­mular nicht treiben möchte, könnten sie auch einfach auf die Online-Lizenz­prüfung verzichten und die direkte Lizenzwei­tergabe ermög­lichen. Da das aber der Schwarz­kopie­rerei Tür und Tor öffnen würde, werden sie das sicher nicht tun.

Spiele-Szene gar nicht so betroffen

Heraus­stellen sollte man viel­leicht noch, dass das klas­sische von Nintendo und Co. einge­führte Spiele-Marke­ting mit billigen Konsolen und dafür teuren Spiele-Cartridges sowieso ein Auslauf­modell ist: Immer mehr Spiele sind free to play, also kostenlos im Down­load und im Anspielen. Teuer sind dann erst die Käufe im Spiel: Immer dann, wenn man nicht weiter kommt, werden dem Spieler zusätz­liche Ausrüs­tungs­gegen­stände ange­boten, die ihm im Kampf entschei­dende Vorteile verspre­chen oder bei Logik­rät­seln helfen. Und selbst Nintendo hat ange­fangen, bei seinen Titeln die Master-Level für beson­ders ambi­tionierte Spieler in einem kosten­pflich­tigen DLC (Down­load­able Content) unter­zubringen.

Für hoch­wertige Spiele-Neuent­wick­lungen, die zum Spielen anspruchs­volle Hard­ware benö­tigen, geht der Trend künftig zum Cloud-Gaming. Dieser bringt auch den Gele­genheits- und Durch­schnitts­spie­lern durchaus Vorteile: Statt sich selber teure CPU und GPU anzu­schaffen, die man dann viel­leicht gerade mal zehn oder zwanzig Stunden lang für das eine Spiel richtig ausnutzt, mietet man die entspre­chende Leis­tung. Die Geknif­fenen dieses Trends sind hingegen die Hard­ware-Gamer, die selbst nach hunderten Stunden Spiel­zeit weder das Spiel besitzen, noch den PC, auf dem es läuft. Aber um Spiele, die klar als Miet­spiele erkennbar sind, geht es weder in dem Urteil noch in meinem Kommentar dazu.

Digi­tales Eigentum

Aber die Frage nach dem Lizen­zei­gentum stellt sich nicht nur bei Spiele-Titeln (und dann in der Folge auch für die im Spiel erwerb­bare Zusatz­ausrüs­tung und die Spiele-Erwei­terungen/DLCs), sondern bei allen digi­talen Gütern: Smart­phone-Apps, E-Books, Strea­ming-Videos und derglei­chen mehr. Auch diese kann man derzeit später faktisch weder weiter­verkaufen oder seinen Kindern vererben, obwohl man dazu genauso das Recht hat, und es dort teil­weise noch viel wich­tiger ist, dieses Recht auch wahr­nehmen zu können.

Hinzu kommt das Problem des digi­talen Verlusts: Geht der Publisher oder der Platt­form­betreiber eines DRM-geschützten Spiels, Buchs, Videos oder Audio-Datei pleite, werden meist kurze Zeit später die zuge­hörigen DRM-Server abge­schaltet und die Dateien unbrauchbar.

Zu fordern ist daher eine klare Gesetz­gebung rund um "digi­tales Eigentum" im Urhe­berrecht: DRM-Betreiber müssen dann nicht nur die private Weiter­gabe inklu­sive des Weiter­verkaufs ermög­lichen, sondern auch bei einer staat­lichen Stelle die Schlüssel hinter­legen müssen, mit denen sich die Werke im Falle der Abschal­tung der DRM-Server entschlüs­seln lassen. Wenn nicht außer­gewöhn­liche Schutz­gründe dagegen spre­chen, sollten diese Schlüssel nach einer Stan­dard-Schutz­frist von zum Beispiel fünf Jahren sogar auto­matisch frei­gegeben werden. Damit kann der Nutzer dann nach Bedarf Kopien anfer­tigen, um die von ihm erwor­benen digi­talen Werke auf seine neuen Smart­phones oder Computer zu über­tragen und so für die Zukunft zu sichern. Der Weiter­verkauf solcher entsperrten Kopien bleibt natür­lich verboten.

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