DAB+

Ärger über fehlenden Overspill bei DAB+

Mehrere teltarif.de-Leser sind vom Digitalradio DAB+ enttäuscht, weil sie von UKW bekannte Sender nicht mehr digital empfangen können. Wir sind den Ursachen auf den Grund gegangen.
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Die technische Reichweite ist bei DAB+ oft geringer als die von UKW. Bekannte Sender sind nicht mehr zu hören. Die technische Reichweite ist bei DAB+ oft geringer als die von UKW. Bekannte Sender sind nicht mehr zu hören.
Foto: Auna
teltarif.de-Leser Berthold aus Frankfurt/Main hat sich vor kurzem ein Digitalradio gekauft - und ist bitter enttäuscht. Er ist Stammhörer von Programmen des Süd­west­rund­funks (SWR) und kann diese auf UKW überall empfangen. Über DAB+ dagegen ist der SWR nicht in Frankfurt zu hören. Berthold redet von Zensur und schreibt: "Der SWR zeichnet sich durch eine weitaus kritischere Berichterstattung über die hessische Landespolitik aus als der 'zuständige' Hessische Rundfunk (hr). Ein Interesse der Landesregierung, den SWR zu zensieren, ist daher evident gegeben".

Dass der SWR überhaupt in Frankfurt zu hören ist, obwohl er hier als ARD-Anstalt nicht zuständig ist, hat technische Gründe, da Radiowellen nicht an Landesgrenzen halt machen: Ein 60 Kilowatt starker UKW-Sender auf dem Donnersberg in der Pfalz hat eine solch starke Überstrahlung (im Fachjargon: "Overspill") ins Nachbarland, dass er auch noch perfekt im gesamten Rhein-Main-Gebiet auf hessischer Seite zu hören ist.

DAB+ hat weniger Reichweite außerhalb des definierten Sendegebiets

Die technische Reichweite ist bei DAB+ oft geringer als die von UKW. Bekannte Sender sind nicht mehr zu hören. Die technische Reichweite ist bei DAB+ oft geringer als die von UKW. Bekannte Sender sind nicht mehr zu hören.
Foto: Auna
DAB+ ist dagegen eine völlig andere Technologie: Einerseits erfolgt die Verbreitung auf höheren Frequenzen, was sich in der Regel negativ vor allem auf den Indoor-Empfang auswirkt, wenn Sendeanlagen weiter entfernt sind. Andererseits ist der große Vorteil der DAB+-Technologie das Gleichwellenprinzip: So können beispielsweise die Signale in Städten durch zusätzliche Sendeanlagen in einem so genannten Single Frequency Network (SFN) verstärkt werden. Innerhalb eines lizenzierten oder gesetzlichen Versorgungsgebietes gibt es vielerorts über DAB+ bereits eine bessere Versorgung als über das störanfälligere UKW.

Problematisch sind durch Overspill historisch gewachsene Sendegebiete, wie eben die Großräume Köln/Bonn oder Rhein-Main für den SWR: Diese lassen sich per DAB+ nun nicht mehr versorgen, da die Sendeanlagen zu weit weg liegen und außerdem mit weit geringerer Sendeleistung arbeiten. So strahlt der SWR seine Programme vom erwähnten Standort Donnersberg in der Pfalz mit 2,5 kW auf DAB+ ab, was nur ein Bruchteil der Leistung des UKW-Signals ist. Höhere Sendeleistungen sind jedoch oft nicht möglich, da sie sich negativ auf die Gleichwelle auswirken.

Theoretisch müsste der Südwestrundfunk sein DAB+-Ensemble auch von Sendetürmen in Hessen und Nordrhein-Westfalen abstrahlen, um den von UKW bekannten Overspill auf DAB+ abzubilden. Das allerdings untersagt einerseits der Rundfunkstaatsvertrag, der den ARD-Anstalten nur dort eine Verbreitung erlaubt, wo man auch den gesetzlichen Versorgungsauftrag hat (Ausnahme sind grenznahe Sendeanlagen, die vorrangig das Ziel haben, das definierte Sendegebiet zu versorgen, und der Sonderfall Berlin als momentan rechtliche Grauzone). Andererseits haben die jeweils zuständigen ARD-Anstalten wie der hr oder der WDR gar kein Interesse, dass ein Nachbar wie der SWR in ihrem Sendegebiet "wildert". Ihnen dürfte der Technik-Wechsel auf DAB+ also eher entgegenkommen.

Über DVB-T2 sind auch die Nachbarn zu sehen

Verlierer sind aber die Hörer. Ihnen bleibt nichts anderes übrig als UKW zu nutzen, so lange die Programme weiter über die analoge Terrestrik zu hören sind. Es ist ein klares Argument gegen DAB+.

Im Fernsehbereich gibt es diese Restriktionen übrigens nicht: Über das digital-terrestrische Fernsehen DVB-T2 sind neben der eigenen ARD-Anstalt auch noch die dritten Programme der jeweiligen Nachbarn terrestrisch zu sehen. Eine Reform des Rundfunkstaatsvertrages, der im Zuge der Digitalisierung auch die Ausstrahlung von ARD-Fremdprogrammen im Hörfunk erlaubt, wäre also sinnvoll.

ARD verfolgt Hybrid-Strategie

Die ARD wiederum verfolgt in der digitalen Welt eine hybride Strategie. Dort, wo das digital-terrestrische Sendegebiet endet, soll künftig das Internet die Versorgung übernehmen. Schon heute sind alle ARD-Wellen in ganz Deutschland per Internet mobil zu hören, Satellit (DVB-S) und Kabel (DVB-C) sind alternative stationäre Wege, um die ARD-Radios auch außerhalb des gesetzlichen Sendegebiets zu hören.

Berthold aus Frankfurt bleibt also nach einer möglichen UKW-Abschaltung nur eins übrig: Seinen geliebten SWR über Internet, Kabel oder Satellit zu hören. Da der Zugang hierüber diskriminierungsfrei möglich ist, handelt es sich auch nicht um eine gewollte Zensur von hessischer Seite, wie von ihm vermutet.

Restriktionen gelten nicht für Privatradios

Die Restriktionen durch den Rundfunkstaatsvertrag gelten aber nur für die ARD-Hörfunkwellen. Privatradios haben die Möglichkeit sich auch in Nachbarländern auf ausgeschriebene DAB+-Blöcke zu bewerben - und nutzen diese Möglichkeiten auch schon aus. So sind in Hamburg die "Fremdsender" radio ffn aus Niedersachsen und R.SH aus Schleswig-Holstein zu hören. Das rheinland-pfälzische Antenne Mainz strahlt sein Programm über DAB+ auch in Hessen aus, und Rockland Sachsen-Anhalt startet in Kürze im benachbarten Sachsen.

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