Digitale Verbrechen

Hacker und Sextortion: Der Kampf gegen Cyber-Kriminelle

Im verborgenen Bereich des Internets gibt es alles zu kaufen, was verboten ist: Waffen, Drogen, Kinderpornografie oder professionelle Hacker. Cybercrime-Jäger in NRW sind den Tätern auf der Spur.
Von dpa / Dominik Haag

Cyber-Kriminalität Von NRW aus arbeiten Cybercrime-Jäger gegen Kriminalität im Netz.
dpa
Bankraub digital, "rent-a-hacker", Drogen per Postpaket, "Sextortion" - der brave Bürger staunt, was es im Darknet alles gibt. Für die Spezialisten, die den Tätern seit 2016 in der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC) auf der Spuren sind, sind solche Machenschaften hingegen Alltag. In dieser Woche nahmen die ZAC-Staatsanwälte ein paar Journalisten in Düsseldorf mit in den verborgenen Bereich des Internets, um ihre Arbeit vorzustellen.

Erpressung auf sexueller Grundlage ist lukrativ

Cyber-Kriminalität Von NRW aus arbeiten Cybercrime-Jäger gegen Kriminalität im Netz.
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Internetaffine Täter machten sich die Hände nicht mehr mit gesprengten Geldautomaten oder aufwendigen Banküberfällen schmutzig, berichtet der Kölner Staatsanwalt Andreas Brück. Viel einfacher gehe das mit "Bankraub digital", erklärt er lakonisch. "Meine Empfehlung: Tun Sie es nicht mit der Pistole im Schalterraum. Da kriegen Sie wenig Geld und haben ein hohes Risiko."

Die neue Masche, um schnell an viel Geld zu kommen, heißt "Pimp my card" (zu Deutsch etwa: "Motz' meine Karte auf"). Cyberkriminelle legen Konten an, dringen in die Datennetzwerke ein, um das Limit der Kreditkarten auf unbegrenzt zu manipulieren und räumen oft an weltweit abgesprochenen Zahltagen Bankautomaten leer.

Ein ganz anderer, aber ebenfalls äußerst lukrativer Internet-Tatort wird im Polizei-Jargon "Sextortion" genannt: Erpressung auf sexueller Grundlage. "Für die Betroffenen ist das verheerend", berichtet der Kölner Oberstaatsanwalt und ZAC-Leiter Markus Hartmann.

In höchster Not habe sich unter anderem ein älterer Mann bei der Strafverfolgungsbehörde gemeldet. "Er hatte schon den Familienrat zusammengerufen, um seiner Ehefrau zu beichten, dass demnächst Videos von ihm im Netz kursieren - ein Massengeschäft."

Wie funktioniert das? Die Täter schreiben ihr Opfer an, dass sie einen Trojaner auf seinem Computer eingeschleust haben und über Kamera und Mikrofon alles sehen und hören können. Sie hätten ein Video, dass den Mann beim Besuch einer Porno-Seite zeige und was er dabei vor dem Bildschirm gemacht habe. Das perfide Angebot: "1000 Euro Lösegeld oder das Video ist mit einem Knopfdruck bei allen Kontakten Ihrer Email und Social Media."

Schäden in Milliardenhöhe

Viele zahlten, berichtet Hartmann. Bei Privatleuten spiele Scham eine große Rolle, bei Unternehmen auch die Angst vor einem Imageverlust bei den Kunden, wenn ihr Datennetzwerk gehackt werden konnte. Laut einer Branchenbefragung des Digitalverbands Bitcom liegt der volkswirtschaftliche Gesamtschaden durch Cyberkriminalität in Deutschland bei etwa 55 Milliarden Euro - Tendenz steigend. In die Summe eingerechnet sind auch Kosten für Ermittlungen, Verletzung von Patentrechten, Erpressungszahlungen oder etwa Verluste infolge negativer Berichterstattung.

"Die Szene hat sich durch und durch professionalisiert", bilanziert Hartmann. "Auch Akteure der klassischen organisierten Kriminalität verschaffen sich inzwischen ein Standbein im Internet." Und das war nie so leicht wie heute: "Man muss nichts mehr selber können. Die Kriminalität im Untergrund ist sehr gut und arbeitsteilig organisiert.

Es gibt nichts was es nicht gibt

Neben illegalen Waren aller Art lässt sich auch beinahe jede Dienstleistung einkaufen: Schadstoffsoftware programmieren, Geld umleiten und vereinnahmen, Hacker bestellen - alles geht. "Es sind etwa fünf Minuten Zeitaufwand, um einen Rechner darknetfähig zu machen", erklärt Brück.

Und dort gibt es nahezu alles Verbotene, wie der Blick ins Darknet zeigt: Beim "Berlusconi Market" können per Mausklick Waffen - etwa eine Maschinenpistole für rund 1500 Euro -, Juwelen zweifelhafter Herkunft oder auch Drogen bestellt werden. So wie auf dem traditionellen Fischmarkt gerne noch ein Aal obendrauf gelegt würde, gibt es im Darknet als Schnäppchen fünf Gramm Kokain extra, wenn 50 Gramm Heroin bestellt werden. "Buy now" lockt der Button, geliefert wird im guten alten Postpaket.

Ein gefährlicher Deal, mahnt Staatsanwalt Brück. Bei der neuen Droge Carfentanyl etwa seien schon ein paar Kristalle eine tödliche Dosis. "Die Besteller sind von dem Wirkpotenzial überfordert."

Daher will NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) jetzt auch die Betreiber strafrechtlich verantwortlich machen, wenn über ihre Plattformen illegale Waren und Dienstleistungen angeboten werden. Im Bundesrat will er dafür einen neuen Straftatbestand vorschlagen.

"Die Cyberkriminalität hat besorgniserregende Ausmaße angenommen", stellt er fest. Bis Ende Juli hatte das europaweit vernetzte ZAC mit 560 Ermittlungsverfahren schon mehr als doppelt so viele wie im kompletten Vorjahr.

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