Zocken mit 5G: Telekom-Branche hofft auf gute Geschäfte
Der Hoffnungsträger steht abseits. Während auf der Computerspielemesse Gamescom noch bis zum Wochenende Hunderttausende Zocker in die Kölner Messehallen strömen, befindet sich ein 50 Meter hoher Antennenturm ganz in der Nähe. Neu wirkt das Ungetüm nicht, ein vergilbtes Namensschild der "Vodafone D2 GmbH" weist auf die lange zurückliegende Fusion des britischen Konzerns mit Mannesmann D2. Was hingegen auf einer Ebene des Mobilfunkturms montiert ist, ist brandneu - und dürfte künftig auch für die Gaming-Welt ein kräftiger Wachstumstreiber sein: Es sind 5G-Antennen - einige der wenigen, die in Deutschland bereits live geschaltet sind.
Kurze Latenzzeiten als Schlüssel
Vodafone hat in Zusammenarbeit mit Hatch Entertainment eine 5G-Spieleplattform auf den Markt gebracht.
Bild: Vodafone
Der ultraschnelle Mobilfunkstandard ermöglicht nicht nur die
Übermittlung deutlich größerer Datenmengen, sondern auch
eine Reaktionszeit - Latenz - nahe null. Das heißt: Zockt man auf dem
Smartphone oder dem Tablet ein Spiel mit anderen, ebenfalls
vernetzten Usern, kann es in Quasi-Echtzeit ein Wettrennen oder eine
Schießerei geben. Verzögerungen gibt es kaum noch, so zumindest
stellt es die Telekommunikationsbranche dar. Sie verspricht sich gute
Geschäfte dank Gaming - und reibt sich die Hände.
Netzbetreiber optimistisch
Im Konsumentenbereich werde die Nachfrage nach 5G-Mobilfunk einen "enormen Schwung auch durch Games" bekommen - und umgekehrt Games durch 5G, sagt beispielsweise Telekom-Chef Tim Höttges. Das sei ein "Megatrend" mit stark wachsenden Online-Zugriffen auf Games. Sein Kollege von Vodafone, Hannes Ametsreiter, sieht es ähnlich: "Die Gamingbranche boomt - sie braucht hohe Bandbreiten und geringe Latenzen, also braucht sie auch 5G."
Vodafone kooperiert mit Hatch
Vodafone kooperiert mit dem finnischen Spiele-Streamingdienst Hatch, der 5G-optimierte Spiele anbietet. Die App ‚Hatch Cloud Gaming‘ ist ab sofort im Google Play Store verfügbar und Vodafone-Kunden haben mit der Premium-Version drei Monate lang kostenlosen Zugriff auf mehr als 100 Spiele. Anschließend kostet der Dienst 6,99 Euro im Monat und ist monatlich kündbar. Dabei geht es vor allem um Multiplayer-Games, bei denen Interaktion mit anderen Spielern gefragt ist. "Mit den niedrigen Latenzzeiten und hohen Bandbreiten von 5G können wir Spiele so einfach wie Musik und Filme auf jedes Smartphone streamen", sagt Hatch-Mitgründer Vesa Jutila. "Das bietet Spieleentwicklern neue Möglichkeiten."
Cloud-Rechner rücken näher zum Spieler
Allerdings setzt selbst Hatch im eher kleinen Maßstab auf den neuen Standard - nur etwa jedes zehnte Spiel auf der Plattform ist 5G-optimiert. Das heißt, dass die Spiele grafisch besser dargestellt werden als bisher. Wegen 5G läuft das Spiel trotzdem ohne Ruckelei. Beim Zocken wird man nicht mehr verbunden mit Großrechnern in den USA, sondern mit leistungsstarken Miniservern in der Nähe - dadurch entfällt die transatlantische Wegstrecke, für die einige Millisekunden gebraucht werden.
5G auch zu Hause die erste Wahl?
5G ist vor allem für "Mobile Games" wichtig, also fürs Spielen unterwegs etwa auf dem Smartphone oder Tablet. Unter bestimmten Umständen sei 5G aber selbst zu Hause besser für Gaming, schließlich seien Latenz und Datenvolumen im Festnetz - je nach Anschluss - mitunter langsamer, sagt Vodafone-Technikchef Gerhard Mack. "Im Festnetz sind es bei uns im Schnitt 30 Millisekunden Latenz, im 5G-Mobilfunknetz hingegen nur 12 bis 13 Millisekunden." Beide Werte dürften aber noch sinken durch technische Verbesserungen.
Cloud Gaming ermöglicht neue Spielideen
Cloud Computing soll ein der Killerapplikationen für 5G werden.
Bild: Vodafone
Experten werten 5G als starken Treiber für die Branche. "Mobile Gaming
boomt, der Bereich wächst in Deutschland pro Jahr um etwa ein Viertel",
sagt Martin Wrulich von der Unternehmensberatung McKinsey.
Bei beliebten Spielen wie Pokemon Go sei eine direkte Interaktion mit
anderen Spielern bisher nicht möglich, dank 5G werde sich das ändern.
Die Spiele seien technisch inzwischen so aufwendig, dass sie hohe
Rechenleistungen erforderten.
Business Case noch offen
"Nun verschiebt man den Rechenaufwand in die Cloud und schickt dem Nutzer nur noch ein Live-Bild auf sein Smartphone - am besten über 5G und nicht über WLAN, weil das in der Regel höhere Latenzen hat." Unklar findet Wrulich derzeit noch den "Business Case" - also wie Telekommunikationsfirmen und Gaming-Anbieter daran Geld verdienen. Der Bau und Betrieb des Netzes seien sehr teuer. Ob diese Kosten indirekt von den Gamern beglichen und oben drein noch ein Gewinn anfalle, sei derzeit noch fraglich.
Gaming hat hohen Anteil am Traffic
Wie wichtig Gaming für die Telekombranche ist, verdeutlicht der steigende Anteil der Online-Spiele am Datenvolumen. 2015 habe dieser bei Vodafone noch bei fünf Prozent gelegen, heute seien es 15 Prozent, sagt Mack. Und in einigen Jahren dürften es 30 bis 35 Prozent sein.
Auch der Branchenverband Game hat die Bedeutung erkannt. Spieler wie Entwickler brauchten schnelle und stabile Datenanbindungen, betont Verbandschef Felix Falk. Da Spieler inzwischen mehr auf Mobilgeräte setzen statt auf PC oder Konsolen, sei 5G wichtig. Ein zügiger Ausbau wäre daher hilfreich für die Branche, noch immer gebe es hierzulande zu viele Funklöcher oder zu langsame Datenverbindungen. Auch der E-Sports-Turnierveranstalter ESL betont die Bedeutung des Standards: Wenn die Leute überall mit einer schnellen Verbindung spielen können, vergrößere sich die Zielgruppe und somit auch der E-Sports-Markt, sagt Kristina Müller, Leiterin Strategische Partnerschaften.
Gamer noch nicht voll überzeugt
Und was sagen die Nutzer - können die es kaum erwarten, im 5G-Speed zu daddeln? Patrik Schönfeldt vom Verband für Deutschlands Video- und Computerspieler ist zurückhaltend. "Wir sind da zwiegespalten: Die einen sagen, das mache das mobile Spielen einfacher; die anderen sind die Traditionalisten, die ein Spiel nach wie vor physisch haben wollen und nicht in irgendeiner Cloud." Beim Streaming werde das Angebot laufend überarbeitet und gewisse Angebote würden gestrichen - "gut möglich, dass man manches Spiel nach ein paar Jahren gar nicht mehr spielen kann".
Generell sei ein flächendeckender Mobilfunk wichtig fürs mobile Gaming. "Es ist gut, dass der Netzausbau langsam in die Gänge kommt." Nach seiner Einschätzung ist 5G-Gaming aber zum Großteil noch Zukunftsmusik, schließlich brauche man neue 5G-fähige Smartphones. "Bis das im Massenmarkt ankommt, vergehen noch fünf bis zehn Jahre."
Nicht nur auf dem Mobiltelefon, auch am PC oder Tablet boomt Cloud Gaming. So hat etwa auch Medion angekündigt ein eigenes Angebot im November zu starten. Als Partner vermutet man in der Branche Playgiga. teltarif.de berichtete.