Breitbandausbau

Digital-Verbände: Zustimmung und Kritik zum Koalitionsvertrag

Nach zahlreichen Verhandlungstagen haben sich die Unionsparteien und die SPD auf einen Koalitionsvertrag einigen können. Sehr zur Freude von BREKO und VATM fanden dabei auch konkrete Pläne zum Breitbandausbau Einzug.
Von Stefan Kirchner

Breitbandausbau in Deutschland BREKO und VATM begrüßen die Pläne der künftigen Bundesregierung
Foto: Deutscher Bundestag/Marc-Steffen Unger, Logos: Breko/vatm
Nach einem Verhandlungsmarathon, der nach mehreren Wochen auf die Sondierungen folgte, haben sich die Unionsparteien und SPD auf einen Koalitions­vertrag einigen können. Ein wesentlicher Bestandteil ist in dem Vertrag der Neuauflage der Großen Koalition das Breitband­ziel Gigabit-Netz.

Das sich die Parteien grundlegend auf das Gigabit-Netz bis 2025 geeinigt haben, kommt bei den Branchen­verbänden BREKO, VATM, Bitkom und dem BUGLAS naturgemäß positiv an. Beide Verbände haben daher in diesem Punkt ein Lob für die Koalitions­parteien übrig, zumal der Ausbau mit Glasfaser als Netz­technologie der Zukunft bekräftigt wird. Dennoch ist man bei den Branchen­verbänden nicht rundum zufrieden, was die verhandelten Inhalte anbelangt.

Breitband ja, aber...

Breitbandausbau in Deutschland BREKO und VATM begrüßen die Pläne der künftigen Bundesregierung
Foto: Deutscher Bundestag/Marc-Steffen Unger, Logos: Breko/vatm
Von Seiten des BREKO wird vor allem der Punkt angeprangert, dass das letzte Quäntchen Entschlossenheit fehlt, gänzlich auf Glasfaser zu setzen. So heißt es sinngemäß in dem Entwurf des Koalitions­vertrages, dass die Breitband­anstrengungen mit Glasfaser möglichst bis zum Haus vorangetrieben werden sollen, sprich nur FTTB anstatt FTTH bis in die Wohnungen. Selbst der direkte Haus­anschluss ist nicht komplett gefordert.

Was der BREKO dabei besonders kritisiert: Schon im Sondierungs­papier zur möglichen Großen Koalition wurde der Gigabit-Teil so formuliert, dass der Breitband­ausbau mit Vectoring und Super-Vectoring auf Basis von Kupfer­leitungen nicht explizit ausgeschlossen wurde. Im Umkehr­schluss bedeutet dies, dass die öffentlichen Förder­mittel auch für derartige Leitungen beantragt werden könnten.

BREKO-Geschäftsführer Dr. Stephan Albers findet dafür deutliche Worte: "So wird es sehr schwer, das von der Großen Koalition selbst gesteckte Ziel einer ‚flächen­deckenden digitalen Infrastruktur von Weltklasse‘ zu erreichen. Ein eindeutiges Glasfaser-Infrastrukturziel hätte Rechts- und Planungs­sicherheit für alle Marktakteure geschaffen, um nachhaltig in die nächste Evolutions­stufe des Breitband­ausbaus zu investieren." Jürgen Grützner, Geschäfts­führer des VATM, fügt dem hinzu: "Endlich gibt es die seit Jahren überfällige klare strategische Neujustierung der langfristigen politischen Ziele und den Willen zur zügigen Migration von Kupfer-Zwischenlösungen zur zukunfts­sicheren Glasfaser bis ins Haus."

Nach Meinung des VATM sollte nun vor allem möglichst zügig das Quasi-Vectoring-Monopol beim Breitband­ausbau der Deutschen Telekom eingedämmt und möglichst komplett abgeschafft werden, mit Fokus auf den Nahbereich. Dazu sollte unter anderem die Verpflichtung aufgehoben werden, dass die Telekom parallel zu den Glasfaser­projekten der Konkurrenz eigene Vectoring-Projekte vorantreiben kann.

Woran sich der BUGLAS stört, ist vor allem die nicht getroffene nähere Definition von Gigabit-Netzen: Nach Ansicht des Bundesverband Glasfaser­anschluss sollte damit eine symmetrische Leitung mit Latenzen von weniger als einer Millisekunde gemeint sein, denn erst damit sei überhaupt die Grundlage für beispiels­weise ein 5G-Netz realisierbar. Erst dann ist überhaupt der Anspruch für "flächendeckende Infrastruktur von Weltklasse" umsetzbar.

Kritik an der Finanzierung

Gemäß dem Koalitions­vertrag werden CDU/CSU und SPD die Fördermittel mit einem Volumen von 10 bis 12 Milliarden Euro ausstatten und das bis 2021. Jedoch hätte es der BREKO lieber gesehen, wenn die künftige Bundes­regierung die Anreize für den eigen­wirtschaftlichen Ausbau gegeben hätte. Der BUGLAS lässt hingegen konrkete Eckpunkte vermissen, wie genau die Förderung aussehen soll. Nach Ansicht des Verbandes übernimmt die neue Bundes­regierung damit lediglich die Haltung der vorhergehenden Legislatur­periode und behält den Status Quo bei - was die Förder­fähigkeit von Vectoring/Super-Vectoring trotz technischer Limitationen nicht explizit ausschließt.

VATM und Bitkom sehen vor allem die Quelle der Fördersumme kritisch: Die bis zu 12 Milliarden Euro sollen mit dem Erlös der 5G-Frequenz­versteigerung finanziert werden. Jedoch werden dadurch wichtige Mittel der Netz­betreiber zum eigentlichen 5G-Netzausbau entzogen, die im Umkehrschluss durch entsprechend hohe Vertrags­kosten von den Mobilfunk­nutzern wieder zurückerwirtschaftet werden müssen. Wenig hilfreich war dabei, dass Alexander Dobrindt im vergangenen Jahr die Erwartung äußerte, dass ein zweistelliger Milliarden­betrag bei der Frequenz­auktion zusammenkommen müsste. Anderenfalls müssten wiederum steuer­finanzierte Förder­maßnahmen ergriffen werden, um die Mobilfunk­netze konkurrenz­fähig zu halten. Daher ist es wohl ein zu gewagter Traum, dass Deutschland technologisch die führende Nation im Bereich 5G-Netze werden soll. Gemäß des Bitkom wirkt die Forderung nach einem Recht auf schnelles Internet für jeden zudem eher verunsichernd bei den ausbauenden Unternehmen und bremst daher den Ausbau statt ihn zu fördern.

Da wäre es sinnvoller, wenn die Fördersumme nach Vorstellungen des VATM und des BUGLAS für Vouchers und andere finanzielle Anreize genutzt wird, um die Nachfrage nach echten Glasfaser­anschlüssen anzukurbeln. Unter anderem könnten auf diese Weise erhöhte Glasfaser-Kosten von Beginn an vermieden werden, was ein zusätzlicher Wachstums­motor sein kann, gerade im Bildungs­sektor. Was der BUGLAS vor allem vermissen lässt, ist eine Anpassung des DigiNetzG an die neuen Heraus­forderungen beim Breitband­ausbau und den Fachkräfte­mangel, was sich als Bremsklotz für den Breitband­ausbau heraus­stellen könnte.

Position der "neuen" BNetzA

Ausdrücklich vom BREKO begrüßt wird die neu gefasste Rolle der Bundes­netzagentur (BNetzA), deren Aufgaben um eine neutrale Schiedsrichter­funktion im künftigen Glasfaser­markt ausgebaut werden. Dabei soll die BNetzA nur dann eingreifen, wenn Open-Access-Modelle und Verhandlungen beteiligter Unternehmen zu scheitern drohen. "Der Glasfaser­ausbau im Wettbewerb wird durch Open-Access-Kooperationen zwischen den zahlreichen lokal und regional ausbauenden sowie bundesweit operierenden Netz­betreibern in den nächsten Jahren immer stärker voran­getrieben werden", sagt Dr. Albers.

Der VATM wiederum begrüßt es, dass die Große Koalition keine Regulierungs­ferien für die Telekom haben will, was dem Wettbewerb beim Glasfaser­ausbau deutlich entgegen­kommt. Sie stellt sich damit hinter Jochen Homann, den amtierenden BNetzA-Präsidenten, und dessen Meinung. Am Ende profitieren die ausbauenden Unternehmen und ganz besonders die potenziellen Kunden.

Lobende Worte findet der Bitkom-Branchenverband zudem für die Forderung, dass Behördengänge von den Bundesbürgern auch online möglich sein sollten. Dazu will man die Bundes­regierung dabei unterstützen, die digitale Verwaltung noch stärker als im Koalitions­vertrag vereinbart, auf- und auszubauen. Allerdings sollten die GroKo-Parteien Wert darauf legen, eine einheitliche Datenpolitik zu verfolgen.

Lesen Sie in einem weiteren Beitrag, warum eine Studie der BNetzA momentan noch sehr große Unterschiede bei der tatsächlichen Breitband­versorgung offenbart. Und was die Große Koalition zum umstrittenen UKW-Ausstieg beschlossen hat, erläutern wir in unserem Bericht zum UKW-Abschalttermin.

Die unzureichenden Bemühungen der kommenden Bundesregierung bei Digitalthemen kritisiert auch TK-Experte Torsten J. Gerpott in seinem aktuellen Gastbeitrag für teltarif.de: Digitale Infrastrukturen im Koalitionsvertrag - mehr Schein als Sein.

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