Digitales Bundesland

Hessen will Digitalisierung in die Verfassung aufnehmen

Das Bundes­land Hessen lässt seine Bürger am 28. Oktober über die Digi­tali­sie­rung als Verfas­sungs­ziel abstimmen. Auch sonst tut sich einiges.
Vom Hessischen Breitbandgipfel in Frankfurt berichtet

Beim Hessischen Breitbandgipfel erläuterte der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (2. von links) die Breitbandstrategie des Landes, neben ihm der CEO von Unitymedia, Lutz Schüler. Beim Hessischen Breitbandgipfel erläuterte der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (2. von links) die Breitbandstrategie des Landes, neben ihm der CEO von Unitymedia, Lutz Schüler.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Beim hessi­schen Breit­band­gipfel wurde die erste hessi­sche Gigabit-City vorge­stellt, Frank­furt am Main, die größte Stadt im Land (wir berich­teten).

Auf die Frage, ob man soviel Band­breite brauche, verweist Unity­media-Chef Schüler auf die gestie­genen Anfor­derungen. Für "4K-Video" braucht man die acht­fache Daten­menge gegen­über HD. Virtu­elle Realität (VR), Tele­medizin, Fern-Opera­tionen im Kran­ken­haus, das vernetzte "Smart Home", die ganzen Sicher­heits­anwen­dungen alles erzeugt viel Daten­ver­kehr. Schüler prognos­tizierte: "In ein paar Jahren fragen Sie mich: Wann kommen die 10 GBit/s?" In Frank­furt hat sein Unter­nehmen alleine 30 Millionen Euro inves­tiert. Aber Unity­media baut nicht nur in der Groß­stadt, sondern auch in klei­neren Orten wie Lampert­heim-Hütten­feld (Südhessen).

Schüler selbst lebt in Ingels­berg, einer 200-Häuser-Gemeinde bei München, die zu Zorne­ding gehört. Bisher konnte die Deut­sche Telekom dort nur 2 MBit/s liefern, jetzt habe die Deut­sche Glas­faser den Ort mit echter Glas­faser bis ins Haus erschlossen.

Hessen hat ehrgei­zige Digi­tal­ziele

Beim Hessischen Breitbandgipfel erläuterte der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (2. von links) die Breitbandstrategie des Landes, neben ihm der CEO von Unitymedia, Lutz Schüler. Beim Hessischen Breitbandgipfel erläuterte der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (2. von links) die Breitbandstrategie des Landes, neben ihm der CEO von Unitymedia, Lutz Schüler.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Zurück nach Hessen. Für Tarek Al-Wazir, Hessi­scher Minister für Wirt­schaft, Energie, Verkehr und Landes­ent­wick­lung ist die Digi­tali­sie­rung des Landes Hessen ein "ehrgei­ziges Programm", er sei Minister für Frank­furt, Korbach, Hofgeismar und Ober­zent (einem Ort, den es erst seit dem 01.01.2018 nach einer frei­wil­ligen Gemein­defu­sion gibt). Die neue Rechts­lage erlaube es in Hessen den Kommunen, „selbst aktiv zu werden, wenn es der Markt nicht macht. In Frank­furt ist es nicht so, das begrüße ich", aber tief im Land wie in Ober­zent sehe es anders aus (dort baut der Strom­ver­sorger ENTEGA in einer kompli­zierten Betrei­ber­struktur im Auftrag des Land­kreises).

Das Land enga­giere sich durch direkte Förde­rung, Bürg­schaften und Kredite. Die Deut­sche Telekom hatte Anfang der 2000er "Schulen ans Netz". Damals galt als Ziel 1 MBit/s, doch "es geht immer weiter." Wenn der Ausbau erstmal markt­getrieben funk­tio­niere, begrüße er das, "der Staat muss dann nichts machen." Al-Wazir habe nichts dagegen, wenn es einen Anbieter gibt, der alle TV-Kabel­netze betreue und zu "Magenta" in Konkur­renz trete, dann finde er das gut, so bewege sich was. Mit einem Schlag 380 000 Haus­halte Gigabit-fähig zu haben, sei schon ein Riesen­schritt.

Volks­abstim­mung über Digi­tali­sie­rung

Außer­halb Hessens dürfte wenig bekannt sein: Am 28. Oktober (parallel zur Land­tags­wahl) werden die Bürger Hessens über eine Verfas­sungs­ände­rung [Link entfernt] abstimmen: Die digi­tale Infra­struktur soll Staats­ziel in der Landes­ver­fas­sung (Artikel 26) werden. Mit derzeit 50 MBit/s gehöre Hessen zu den Top-Ländern in der Fläche in ganz Deutsch­land. Das Nord­hessen-Cluster sei das größte Breit­band­ausbau-Gebiet.

Und weiter: „Breit­band ist die Basis-Infra­struktur für die Digi­tali­sie­rung unserer Gesell­schaft. Sie ist uner­läss­lich für Inno­vationen und wirt­schaft­liche Entwick­lung, und sie trägt auch erheb­lich zur Lösung gesell­schaft­licher Heraus­for­derungen bei. In Hessen sollen bis zum Jahr 2020 rund 60 Prozent der Haus­halte mit bis zu 400 MBit/s versorgt werden – doch die Ansprüche an die Band­breiten wachsen ständig. Auf dem Weg in die Gigabit-Gesell­schaft müssen alle Betei­ligten – Staat, Privat­wirt­schaft, Kommunen – zusam­men­arbeiten. Ich freue mich sehr über das Enga­gement von Unity­media in Frank­furt.“

Lutz Schüler, CEO von Unity­media findet Frank­furt ideal, weil "in einer Finanz­metro­pole wie Frank­furt viele Unter­nehmen und Privat­haus­halte auf eine super­schnelle Anbin­dung an die Daten­auto­bahn ange­wiesen sind."

Peter Feld­mann, Ober­bür­ger­meister der Stadt Frank­furt am Main, kann sich nicht verkneifen, darauf hinzu­weisen, dass "sein" Minister aus der Nach­bar­stadt Offen­bach komme (für Nicht­kenner: Frank­furt und Offen­bach leben in stän­digem "Gegen­satz" wie beispiels­weise Köln und Düssel­dorf). Hohe Band­breiten ermög­lichen Frank­furts Bürge­rinnen und Bürgern die Teil­habe an der digi­talen Welt und den orts­ansäs­sigen Unter­nehmen zukünf­tiges wirt­schaft­liches Poten­zial. Aber Breit­band sei nicht nur für Banker, auch für die Oma in Frank­furt-Kalbach wichtig. Im Forum Digital Hub sei die Frank­furter Wirt­schafts­för­derung aktiv und bereits mitten auf dem Weg zur Smart City.

Aufrüs­tung auf neuen Kabel­stan­dard ist Teil von Liberty Globals GIGAWorld

Die tech­nische Aufrüs­tung Frank­furts zur ersten hessi­schen Groß­stadt mit "flächen­deckend verfüg­baren Gigabit-Geschwin­dig­keiten" ist Teil der euro­paweiten Ausbau­kam­pagne "GIGAWorld" von Unity­medias Konzern­mutter Liberty Global. Das Unter­nehmen wird demnächst seine Gigabit-Ausbau­pläne auf Basis von DOCSIS 3.1 für weitere euro­päi­sche Länder bekannt­geben.

Wer ist Unity­media

Unity­media betreibt in Hessen, Nord­rhein-West­falen und Baden-Würt­tem­berg eines der nach eigenen Angaben "größten zusam­men­hän­genden Kabel­netze Europas". In Frank­furt hat das Unter­nehmen einen Standort und ein Tech­nik­zen­trum. Im Verbrei­tungs­gebiet von Unity­media werden künftig etwa 13 Millionen Kabel­haus­halte mit Gigabit-Tempo im Internet surfen können.

Unity­media mit Haupt­sitz in Köln ist einer der größeren Kabel­netz­betreiber in Deutsch­land und im Moment noch Tochter von Liberty Global. Der ange­kün­digte Verkauf an Voda­fone befindet sich nach Angaben aus einge­weihten Kreisen noch in der Anmel­dephase. Dann werden die euro­päi­schen Kartell­behör­denden den Antrag umfang­reich prüfen und in etwa einem Jahr entscheiden. Aktuell erreicht Unity­media in Nord­rhein-West­falen, Hessen und Baden-Würt­tem­berg etwa 13 Millionen Haus­halte mit seinen Breit­band­kabel­diensten. Neben dem Angebot von Kabel-TV-Dienst­leis­tungen bietet das Unter­nehmen Triple-Play-Dienste, die digi­tales Kabel­fern­sehen, Breit­band-Internet und Tele­fonie kombi­nieren. Zum 31. März hatte Unity­media 7,2 Millionen Kunden, die 6,3 Millionen TV-Abon­nements und 3,5 Millionen Internet- sowie 3,3 Millionen Tele­fonie-Abos (Fach­begriff RGU = Revenue Gene­rating Units) bezogen haben.

Wer ist Liberty Global?

Die Mutter Liberty Global ist das welt­weit größte inter­national agie­rende Unter­nehmen im Bereich TV und Breit­band mit Toch­ter­gesell­schaften in insge­samt 11 euro­päi­schen Ländern unter den Marken Virgin Media, Unity­media, Telenet und UPC. Die Größe des Unter­neh­mens und sein Enga­gement für Inno­vation versetzen es in die Lage, markt­füh­rende Produkte zu entwi­ckeln, die über Netze der nächsten Gene­ration verbreitet werden, die 22 Millionen Kunden mitein­ander verbinden und die von über 46 Millionen TV-, Breit­band-Internet- und Fern­sprech­dienste in Anspruch genommen werden. Zudem versorgt Liberty Global 6 Millionen Mobil­funk­teil­nehmer und bietet mehr als 10 Millionen WiFi-Zugangs­punkte an.

Liberty Global hält derzeit 50 Prozent an VodafoneZiggo, einem nieder­län­dischen Joint Venture, das 4 Millionen Kunden, 10 Millionen Fest­netz-Abon­nenten und 5 Millionen Mobil­funk-Abon­nenten hat, und außerdem Anteile in ITV, All3Media, LionsGate, der "Formel E" und diversen anderen regio­nalen Sport­netz­werken.

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