Themenspezial: Verbraucher & Service Online-Handel

Bewertungen im Online-Handel: Gekaufte Rezensionen sorgen für Misstrauen

Bewertungen im Online-Handel sollen Vertrauen schaffen - aber gefälschte und gekaufte Rezensionen machen die Runde. Und kritische Verbraucher­kommentare sind bei vielen Händlern auch unerwünscht - regelmäßig landen diese Streitigkeiten vor Gericht.
Von Hans-Georg Kluge mit Material von dpa

Bewertungen im Online-Handel sollen Vertrauen schaffen. Aber gefälschte Rezensionen sind allgegenwärtig. Bewertungen im Online-Handel sollen Vertrauen schaffen. Aber gefälschte Rezensionen sind allgegenwärtig.
Bild: dpa
"Komplett unbrauchbar", "Frechheit", "Einfach nur Schrott!", "Hat nicht geliefert" - Im Internet sind Kunden oft nicht zimperlich, wenn sie ihre Meinung über Produkte und Verkäufer aufschreiben. Viele Kunden lassen sich bei ihrem Kauf von den Kommentaren leiten, wissen Verkäufer und Experten. Negative Bewertungen können für Onlinehändler schnell zum Problem werden. "Schon wenn jemand viereinhalb statt vier Sterne hat, dann nimmt man beim exakt gleichen Produkt in der Regel den etwas 'besseren' Anbieter", sagt Experte für Online-Marketing Christian Bachem von der Agentur Companion.

Rechtsstreit um Bewertung von Bootszubehör

Bewertungen im Online-Handel sollen Vertrauen schaffen. Aber gefälschte Rezensionen sind allgegenwärtig. Bewertungen im Online-Handel sollen Vertrauen schaffen. Aber gefälschte Rezensionen sind allgegenwärtig.
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Für Onlinehändler sind die Bewertungen so wichtig, dass einige sogar vor Gericht ziehen. Zum Beispiel ein Händler für Bootszubehör vor dem Münchner Oberlandesgericht einen Kunden dazu bringen wollte, eine negative eBay-Bewertung zu löschen. Das Gericht entschied tatsächlich, dass der Käufer seine schlechte Bewertung zurücknehmen muss.

Meinung oder Verleumdung?

Der Grat zwischen freier Meinungsäußerung und Verleumdung oder Beleidigung ist aber oft schmal. "Bei der Meinungsäußerung bin ich relativ frei, solange ich nicht die Grenze zur Schmähkritik überschreite", erklärt Rechtsanwalt Alexander Busch. "Meinung wäre zum Beispiel die Bewertung: "Ich fand den Verkäufer unfreundlich." Ich stelle dabei die Sache in den Vordergrund. Wenn ich aber sage: "Der Verkäufer ist ein Idiot", dann sind wir im Bereich der Schmähkritik."

Sieht das Gericht sogar eine Verleumdung, drohen bis zu fünf Jahren Gefängnis. Und wenn eine unberechtigte Negativbewertung das Ansehen des Verkäufers schädigt, kann das für den Rezensenten auch richtig teuer werden, sagt Anwalt Busch: "Das kann schon mal Bereiche von 10 000 Euro oder mehr erreichen."

Aufpassen bei Bewertung von Händler oder Produkt

Käufer sollten genau aufpassen, was sie eigentlich bewerten sollen. "Der Händler ist schließlich nicht dafür verantwortlich, wenn einem das Produkt nicht gefällt", erklärt Thomas Lapp von der Arbeitsgemeinschaft IT-Recht im Deutschen Anwaltverein. Ist die Ware mangelhaft, wendet sich der Käufer am besten zuerst an den Händler. "Erst, wenn der sich dann nicht darum kümmert, ist eine negative Bewertung des Händlers gerechtfertigt", sagt Lapp. Dieser sollte aber die Möglichkeit haben, zu reagieren und das Produkt gegebenenfalls umzutauschen oder das Geld zurückzuzahlen.

Daher sollte der Kunde stets aufpassen, ob der das Produkt oder den Händler bewertet.

Online-Bewertungen sollen Vertrauen schaffen

Eigentlich sollen Bewertungen aber nicht zu Streit führen, im Gegenteil: Sie sollen Vertrauen schaffen. Durch eBay ist das System der Bewertungen im Internet populär geworden. Schon beim Start des Auktionshauses in den 90er Jahren konnten sich Käufer und Verkäufer gegenseitig bewerten. Das hilft auch, die Anonymität zu überbrücken: Je mehr Bewertungen vorhanden sind, desto mehr Vertrauen können Handelspartner von Beginn an aufbringen.

Aus dem Onlinehandel sind Bewertungssysteme heute kaum mehr wegzudenken. "Kunden suchen in der unübersichtlichen Online-Warenwelt vor allem eines: Orientierung. Und die finden sie natürlich am ehesten in den Erfahrungen anderer Käufer", sagt Marketing-Experte Bachem. Jeder zweite Internetnutzer hatte 2013 online seine Kauferfahrungen mindestens einmal mit anderen geteilt, wie eine Studie des Branchenverbandes Bitkom zeigt.

Gekaufte Bewertungen allgegenwärtig

Viele Händler wollen ihre Online-Reputation deshalb nicht dem Zufall überlassen. In der Kaufabwicklung bei eBay werden Kunden oft gebeten, bei Problemen erst einmal direkt beim Verkäufer zu reklamieren, bevor sie für eine Negativbewertung in die Tasten greifen.

Einige Firmen werben gezielt um Empfehlungen und umgarnen etwa bekannte Bloggerinnen der Modeszene. Firmen können Rabatte gewähren oder Produkte verschenken, in der Hoffnung auf eine positive Rezension. Die so erstellten Produktbewertungen stehen dann oft zwischen echten Kundenaussagen.

Nicht alle Empfehlungen sind echt, sagt Marketing-Fachmann Bachem: "Es gibt Dienstleister, die falsche Bewertungen erstellen, vor allem aus dem Ausland. Das geschieht entweder mit echten Autoren oder auch automatisch mit einem Computer." Zwar überprüfen viele Handelsplattformen zum Beispiel die IP-Adressen der Kommentatoren oder gehen Hinweisen nach. "Die Anbieter von gefälschten Bewertungen denken sich aber immer wieder neue Wege aus", sagt Bachem.

Amazon: Hall-of-Fame für hilfreiche Bewertungen

Es gibt aber auch Wege, für qualitativ hochwertige Bewertungen zu sorgen. Der Onlinehändler Amazon widmet seinen Bewertungsschreibern zum Beispiel eine eigene Hall of Fame. Auf einer Liste der Top-Rezensenten wetteifern Kunden um die Spitzenposition. Wichtiges Kriterium für die Liste ist, wie hilfreich andere Kunden die Bewertung finden.

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