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Editorial: Gebt Drillisch die Frequenzen!

Drillisch treibt bei der Frequenzauktion die Preise nach oben: Die anderen Netzbetreiber sollten sich jedoch nicht treiben lassen, sondern stattdessen besser in den Netzausbau investieren.
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1&1 Drillisch bei der 5G-Frequenzauktion 1&1 Drillisch bei der 5G-Frequenzauktion
Bild: 1und1 Drillisch, Montage: teltarif.de
Die 5G-Frequenzauktion hat Mitte März mit einem Paukenschlag begonnen: Die als virtueller Netzbetreiber sehr erfolgreiche und vertriebsstarke 1 & 1/Drillisch-Gruppe nahm nicht weniger als 200 Millionen Euro in die Hand, um über das jeweilige Mindestgebot hinausgehende Gebote für insgesamt zehn Frequenzblöcke einzureichen. Dieser Schritt wurde von zahlreichen Medien gemeldet, aber unterschiedlich kommentiert: Das Spektrum reichte von "deutliches Signal" über "Pokerspiel" bis hin zu "Harakiri".

Nun, erst die Zukunft wird zeigen, welche dieser Beurteilungen richtig ist. Denn heute kann noch niemand beurteilen, wie valide der Geschäftsplan zum Aufbau eines eigenen Mobilfunknetzes ist, den Drillisch offensichtlich in der Schublade liegen hat. Erst, nachdem Drillisch das Netz tatsächlich gebaut und zahlreiche der bisher bei den etablierten Netzbetreibern geschalteten Kunden darauf migriert hat, wird sich zeigen, wie erfolgreich sie damit sind.

Nun hat die Vergangenheit gezeigt, dass es für Spätstarter nicht einfach ist, im Mobilfunkmarkt Fuß zu fassen. Die beiden Netze von E-Plus und o2 kamen nie an die von Deutscher Telekom oder die von Vodafone heran. Selbst nach der Fusion der beiden Kleinen kämpfen diese weiterhin mit der Netzintegration und dem rapide wachsenden Datenhunger der Kunden.

Wie soll das erst werden, wenn jetzt mit 1 & 1/Drillisch noch ein Superspätstarter hinzukommt? Hat dieser überhaupt eine Chance, zumal aktuell nur hohe Frequenzen versteigert werden, mit denen ein flächendeckender Netzaufbau kaum möglich ist? In der Tat stellen sich einige Fragen nach der Validität des Geschäftsplans von Drillisch.

Andererseits ist denkbar, dass Drillisch anfangs gar nicht erst versuchen, Flächendeckung zu erreichen. Stattdessen könnten sie 5G zunächst als Festnetzersatz anbieten. Dazu würden sie 5G-Antennen dort aufstellen, wo sie schon eine hohe Dichte an DSL-Anschlüssen haben, und ihre Festnetzkunden per Routerwechsel migrieren. Sobald es mehr als nur 5G-Inseln gibt, kann Drillisch auch Mobilfunkdienste anbieten: Die Kunden würden dann das neue 5G-Netz überall dort nutzen, wo es verfügbar ist, und per nationalem Roaming einen anderen Netzbetreiber außerhalb des eigenen Netzes.

Aber auch hier gilt: Mit Lokalbezug und nationalem Roaming war damals auch Viag Interkom gestartet, die später zu o2 umfirmierten. Die große Erfolgsstory für die Investoren war das bisher nicht.

Lasst Drillisch sich doch selber die Nase blutig schlagen

1&1 Drillisch bei der 5G-Frequenzauktion 1&1 Drillisch bei der 5G-Frequenzauktion
Bild: 1und1 Drillisch, Montage: teltarif.de
Aus den genannten Gründen dürfte es für die drei etablierten Netzbetreiber daher die beste Strategie sein, Drillisch gewähren zu lassen und anteilig selber auf Frequenzen zu verzichten, so dass die Auktion bald zu Ende geht. Über kurz oder lang werden sie die Frequenzen eh zurückerhalten - und zwar zu einem deutlich günstigeren Preis, als wenn sie jetzt die Gebote so weit nach oben treiben, dass Drillisch aussteigt.

Maximalbitraten nicht mehr spürbar verändert

Beim wichtigen neuen Band bei 3,6 GHz bietet Drillisch nun schon seit vielen Runden für insgesamt 60 MHz Bandbreite. In der Folge müssten die anderen Betreiber von ihrem jeweils bisherigen Wunsch auf das natürliche Maximum von 100 MHz (mehr werden Endgeräte zumindest anfangs eh nicht verarbeiten können) auf 80 MHz zurückstecken.

Dieser Verzicht von 20 Prozent würde sich bei den Maximalbitraten eh nicht praxisrelevant auswirken: Ob ein Kunde nun beispielsweise 2,5 GBit/s oder "nur" 2,0 GBit/s empfängt, macht bei aktuell typischen Datenverträgen von 10 GB nur den Unterschied, ob der Kunde die Drosselgrenze schon nach 32 Sekunden erreicht oder erst nach 40 Sekunden.

Schwieriger ist die Situation, wenn man viele Datennutzer in einer Zelle hat: Dann bedeutet weniger Bandbreite auch eine niedrigere Gesamtbitrate und damit das frühere Erreichen der Zellkapazität. Ist eine Zelle erstmal voll, droht hässlicher Datenstau: Denn dann brechen Transfers wegen Zeitüberschreitung ab. Da viele Apps ihre Transfers nach kurzer Zeit automatisch erneut versuchen, steigt dadurch die angeforderte Bitrate noch weiter an, und es kommt endgültig zum Kollaps. Die Gegenmaßnahme ist teurer Netzausbau: Möglich ist beispielsweise die Installation besserer Antennen, die Einrichtung zusätzlicher Sektoren oder auch natürlich die Ergänzung weiterer Basisstationen.

Setzt man jetzt übliche Netzausbaukosten von einigen hunderttausend Euro pro Basisstation ins Verhältnis der Kosten eines Wettbietens, wird schnell deutlich: Von den wahrscheinlich 2 bis 3 Milliarden Euro pro Netzbetreiber, die es möglicherweise kosten würde, Drillisch aus der Auktion zu drängen, könnte von dem Geld jeder Netzbetreiber zigtausend neue Basisstationen anschaffen, mit denen sich dann insgesamt eine bessere Netzversorgung ergibt, als wenn man das Geld stattdessen in die Lizenzen steckt.

Wettbieten auf Kosten der Kunden

Derzeit sieht es nicht danach aus, dass das Wettbieten schnell beendet ist. Vielmehr reagieren die anderen Netzbetreiber nun ihrerseits mit Sprunggeboten. Vodafone hat Runde 92 das Gebot für den Block 10A im Bereich 2 GHz von 43,301 Millionen Euro auf 67,631 Millionen Euro gesteigert. Um den Block (zumindest vorübergehend) zu erobern hätte es aber gelangt, wenn Vodafone in der Runde den Preis um 10 Prozent auf 47,631 Millionen Euro steigert. Vodafone hat also seinerseits 20 Millionen Euro draufgelegt, um zu signalisieren: "Wir können auch" und "wir halten noch lange durch".

Ich bezweifle nicht, dass Vodafone, Telekom und Telefónica noch lange durchhalten können. Ich fürchte nur, dass am Ende wieder der Netzausbau leidet.

Bei der 5G-Frequenzauktion wurde mittlerweile die Zwei-Milliarden-Marke geknackt.

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