digitale Spaltung

Digitale Dividende für das schnelle Internet für alle

Um die Nutzung überschüssiger Rundfunkfrequenzen wird heftig gestritten
Von dpa / Marie-Anne Winter

Die einen wollen sie nicht hergeben, die anderen beanspruchen sie für sich: Um überschüssige Rundfunkfrequenzen, die sogenannte digitale Dividende, wird derzeit heftig gestritten. Bundesregierung, Rundfunk- und Medienanstalten, Telekom-Konzerne, EU-Kommissare und Bundesnetzagentur bringen sich in Stellung. Es geht um den Zugang zum schnellen Internet auch im letzten Winkel der Republik.

Rund 800 000 Haushalte, schätzt die Bundesregierung, seien derzeit noch vom schnellen Internet abgekoppelt. Über 600 Gemeinden, insbesondere in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz, könnten von der Informationsgesellschaft auf Dauer abgehängt werden. Nach Angaben des Telekom-Verbandes VATM verfügen in Deutschland derzeit fünf Millionen Menschen in 2 200 Gemeinden über kein Breitband-Internet. Es droht die digitale Spaltung des Landes.

Telekom-Unternehmen haben in den vergangenen Jahren einiges unternommen, um Menschen in dünn besiedelten Gebieten mit auf die Breitband-Autobahn zu nehmen. "Wir werden bis Ende 2008 rund 96 Prozent aller Haushalte mit DSL versorgen", sagt Telekom-Festnetzchef Timotheus Höttges. Doch auch für die Telekom hat ein DSL-Ausbau auf dem Land wirtschaftliche Grenzen.

Da kommt die "digitale Dividende" den Unternehmen gerade recht. Die überschüssigen Frequenzen sind entstanden durch die Umstellung des Rundfunks von der analogen auf die digitale Technik. Die EU schätzt, dass die Anstalten hierdurch nur noch ein Sechstel der Frequenzen benötigen.

Das ewige Dilemma: Keiner will verzichten

Ein Großteil der digitalen Dividende soll in den EU-Mitgliedsstaaten nach dem Willen von Medien-Kommissarin Viviane Reding für drahtloses Breitband-Internet, Handy-TV und andere Multimedia-Dienste reserviert werden. Doch dieser Vorschlag ist vom EU-Parlament zugunsten der Rundfunkanstalten bereits abgemildert worden.

Friedrich Joussen, Deutschland-Chef von Vodafone, unterstreicht sein Interesse an den Frequenzen: "Wir sind bereit, dafür zu zahlen", sagt er. Es sei ein Skandal, dass ein Riesenthema in der ländlichen Breitbandversorgung nicht angegangen werde. Auch T-Mobile hält den Einsatz der digitalen Dividende für einen wichtigen Weg, die Breitbandversorgung auf dem Land zu verbessern. "Je niedriger der Frequenzbereich, umso geringer sind die Infrastrukturkosten", sagt Andreas Middel. So sei bei einem Frequenzbereich von unter 700 Megahertz nur eine Antenne nötig, um einen Radius von zehn Kilometern abzudecken.

Doch die Rundfunkanstalten wollen so schnell nicht verzichten: "Überall werden höhere Ansprüche gestellt: Bessere Bild- und Tonqualität, Ausbau des Digitalfernsehens, mehr Regionalangebote, digital-terrestrisches Radio, HDTV, mobile Angebote", sagte der Chef der europäischen Rundfunkunion und der frühere WDR-Intendant Fritz Pleitgen vor einiger Zeit der Wirtschaftswoche. Bei der Liberalisierung der Frequenzen dürfe der Rundfunk nicht abgehängt werden.

"Ein Ausbau wird teuer, egal wer das macht"

Der Chef der Landesmedienanstalt NRW, Norbert Schneider, plädiert für einen Mittelweg, so wie ihn das EU-Parlament vorgezeichnet hat. Dem Rundfunk soll die digitale Dividende nicht einfach genommen werden, sondern dieser müsse sagen, wofür er die Frequenzen benötige. "Und dann wird man feststellen, dass noch eine Menge übrigbleibt".

Genau dies hat sich die Aktionsgruppe "Rundfunk und digitale Dividende" aller Landesmedienanstalten vorgenommen. Es gehe darum, den Frequenzbedarf des Rundfunks zu sichern und die Chancen der Breitbandversorgung im ländlichen Raum zu analysieren. Die Digitalisierung biete Rundfunk und Breitband-Internet neue Möglichkeiten, erklärte der Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), Thomas Jungheinrich im Juni. Das Internet entwickle sich mehr und mehr neben Kabel, Satellit und Antenne zu einem vierten Übertragungsweg.

Die Bewohner in Böhmischbruck in der Oberpfalz üben sich indes weiter in Geduld. Ob die Gemeinde und andere unterversorgte Kommunen jemals den Zugang zum schnellen Internet aus der digitalen Dividende oder durch andere Anschlusstechniken erhalten, steht in den Sternen. "Wir wissen nicht, was der beste Weg ist", sagt Wirtschaftsförderer Edgar Knobloch vom Landratsamt Neustadt a.d. Waldnaab und orakelt: "Ein Ausbau wird teuer, egal wer das macht".

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