Entscheidung

Gesetz zu Telekommunikationsüberwachung beschlossen

Gegner kündigen Verfassungsklage gegen das Gesetz an
Von ddp / dpa / AFP / Björn Brodersen

Der Bundestag hat heute mit den Stimmen der Koalition das umstrittene Gesetz zur Telekommunikationsüberwachung beschlossen. FDP, Grüne und Links-Fraktion lehnten das Gesetz ab. In namentlicher Abstimmung votierten 366 Parlamentarier für die Regierungsvorlage. 156 Abgeordnete stimmten mit Nein, zwei enthielten sich. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) wies Kritik zurück, das Gesetz weise den Weg in den Überwachungsstaat. Vielmehr könnten künftig Kriminalität und Terror wirksam bekämpft werden. Eine EU-Vorgabe sei in "minimaler Weise" umgesetzt worden, sagte sie.

Die neuen Regelungen im Überblick

Damit werden die Telekommunikationsunternehmen ab Januar 2008 verpflichtet, für sechs Monate alle Teilnehmer, Zeitpunkt und Dauer von Telefonaten auf Vorrat zu speichern. Das entspricht ungefähr dem Einzelverbindungsnachweis, den viele Unternehmen zu Abrechnungszwecken schon jetzt bis zu sechs Monate speichern dürfen und auf die Ermittler Zugriff erhalten können. Bei Handytelefonaten muss der Anbieter zusätzlich die Funkzelle speichern, in der das Gerät zu Beginn der Verbindung angemeldet ist. Ab 2009 werden von Internetsurfern der Zeitpunkt von Einwahl und Trennung der Verbindung sowie bei E-Mails der Zeitpunkt des Versendens, die Sender und alle Empfängeradressen gespeichert. Zugriff auf die Daten haben Polizei und Staatsanwaltschaft nur nach richterlichem Beschluss.

Der zweite Teil des Gesetzes beschäftigt sich mit Überwachungsmaßnahmen in der Strafverfolgung. Für Abgeordnete, Seelsorger und Strafverteidiger gibt es künftig einen absoluten Schutz vor Ermittlungsmaßnahmen. Bei anderen Berufsgeheimnisträgern (Ärzte, Anwälte, Journalisten und weitere) soll im Einzelfall abgewägt werden, ob die Verbrechensbekämpfung oder die Grundrechte schwerer wiegen. Zulässig sind Maßnahmen bei ihnen nur, wenn es sich um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt. Ist der "Kernbereich privater Lebensführung" betroffen, darf nicht abgehört oder das Abgehörte nicht verwendet werden.

Der Katalog der Straftaten, zu deren Aufklärung eine Telefonüberwachung angeordnet werden darf, wird novelliert und auf Straftaten eingeschränkt, die im Höchstmaß mit fünf Jahren Haft oder mehr bedroht sind. Außerdem wird der Schutz von Berufsgeheimnisträgern auf alle Ermittlungsmaßnahmen ausgeweitet. Da belauschte Bürger in der Vergangenheit zu selten im Nachhinein über die verdeckten Maßnahmen in Kenntnis gesetzt wurden, gilt dafür in Zukunft eine Frist von zwölf Monaten nach Ende der Überwachung. Diese kann jedoch durch einen richterlichen Beschluss verzögert werden. Die Benachrichtigungspflicht ist vor allem wichtig, damit Betroffene klagen können, falls sie rechtswidrig abgehört wurden.

Stimmen von Kritikern

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kritisierte den Beschluss. Ordnungsbehörden und Nachrichtendiensten werde ohne richterliche Prüfung ein Zugriff auf Verkehrsdaten gestattet. "Nicht zuletzt wird die Möglichkeit zur anonymen und unbeobachteten Internetnutzung künftig nicht mehr gewährleistet", rügte Schaar.

Oliver Süme, Vorstand des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft eco, sagte der Berliner Zeitung: "Den Bürgerinnen und Bürgern wird suggeriert, dass das Horten von Daten Sicherheit schafft, obwohl dies äußerst umstritten ist und in erster Linie Kosten verursacht." Süme zufolge würde die Anschaffung notwendiger Hard- und Software die Internet-Provider 332 Millionen Euro kosten. Kriminelle könnten die Speicherung jedoch leicht umgehen: "Man muss nicht einmal einen eigenen Mailserver anschaffen, denn Telefonzellen, Internet-Cafés, sogar Universitäten sind ausgenommen von der Speicherpflicht."

Die Neuregelung, mit dem auch die Telekommunikationsüberwachung neu geregelt wird, ist unter anderem auch bei den Ärzten in Deutschland auf heftige Kritik gestoßen. Die Ärzte drohten mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. "Mit Sicherheit werden wir sehr sauber prüfen, welche Teile dieses Gesetzes verfassungsmäßig zu überprüfen sind, und wir werden uns solchen Klagen anschließen", sagte der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Frank-Ulrich Montgomery. Dem RBB sagte er, die Ärzte könnten "im Interesse unserer Patienten nicht dulden, dass derartige Eingriffe in das Urrecht des Patienten auf Vertraulichkeit vom Bundestag beschlossen werden".

FDP-Politiker hatten Verfassungsklage gegen das Gesetz angekündigt. FDP-Experte Jörg van Essen sagte: "Es muss gekippt werden." Grüne und Linke sprachen von einem "schwarzen Tag für die Bürgerrechte" und von einem "traurigen Tag für die Demokratie".

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