Vorratsdaten

Gegner der Vorratsdatenspeicherung appellieren an Abgeordnete

Protestkundgebungen in über 40 Städten geplant
Von ddp / dpa / Ralf Trautmann

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat an die Bundestagsabgeordneten von SPD und Union appelliert, dem Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung nicht zuzustimmen. "Sie bedeutet einen faktischen Wegfall privater Kommunikation", sagte Ricardo Cristof Remmert-Fontes, der den heutigen bundesweiten Aktionstag gegen die Datenspeicherung koordiniert, gegenüber der Frankfurter Rundschau.

Bürger würden sich künftig "zweimal überlegen, wann sie mit wem worüber telefonieren oder wofür sie das Internet nutzen". Er erwarte eine regelrechte "Kommunikationsveränderung in der Bevölkerung", sagte Remmert-Fontes. Zu einer verbesserten Strafverfolgung schwerer Verbrechen trage das Gesetz hingegen nicht bei. Vielmehr sei zu vermuten, dass Bagatelldelikte wie Beleidigung künftig eine viel größere Rolle spielten.

Das Gesetz soll die Telekommunikationsunternehmen verpflichten, zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität für sechs Monate flächendeckend zu speichern, wer mit wem wann per Telefon, E-Mail, oder Handy in Verbindung gestanden und wer wann das Internet genutzt hat. Bei Handytelefonaten soll der Anbieter zusätzlich die Funkzelle speichern, in der das Gerät zu Beginn der Verbindung angemeldet ist. Mit dem Gesetzentwurf werde laut Bundesregierung EU-Recht umgesetzt. Nach Ansicht der Bürgerrechtler werden dabei vorhandene Gestaltungsspielräume aber nicht zugunsten der verfassungsmäßigen Grundrechte genutzt, sondern diese unverhältnismäßig eingeschränkt.

Nach Angaben des Arbeitskreises sind in über 40 deutschen Städten Protestkundgebungen geplant, darunter in Köln, Karlsruhe, Stuttgart, München, Dresden und Hamburg. In Berlin ist ab 17 Uhr eine zentrale Kundgebung vor dem Reichstagsgebäude mit Reden von Oppositionspolitikern vorgesehen. Eine Liste der geplanten Aktionen gibt es im Internet. Live-Übertragungen von den verschiedenen Veranstaltungsorten und Hintergrundberichte soll es ab 15 Uhr im Radio 1984 [Link entfernt] geben. Ausführliche Informationen zu den geplanten Aktionen und zu weiteren Möglichkeiten, gegen das geplante Gesetz aktiv zu werden, gibt es auf der Internet-Seite des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung. So könnte man sich an der Verfassungklage gegen die Speicherpläne beteiligen oder einen Termin bei seinem Bundestagsabgeordneten vereinbaren, um diesen zu überzeugen, gegen den Gesetzentwurf zu stimmen.

Massive Kritik von Journalisten, Anwälte, Ärzte und Oppositionspolitiker

Per Resolution hat sich auch der Bundesverbandstag des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) gegen die Vorratsdatenspeicherung gewandt: In dem Beschluss fordern die rund 270 Delegierten die Bundestagsabgeordneten auf, den Gesetzentwurf im Bundestag abzulehnen. Durch die Speicherung von Telefon- und Internet-Verbindungsdaten werde der Informantenschutz "in nicht vertretbarem Maße eingeschränkt", hieß es in der schriftlichen Begründung heute in Saarbrücken. Eine kritische Berichterstattung, die auf Informanten angewiesen sei, werde damit erschwert oder fast unmöglich gemacht. Dies komme "faktisch einer Einschränkung der im Grundgesetz verankerten Pressefreiheit gleich" und schade letztlich der freiheitlichen Gesellschaft.

Zudem protestierten heute unter anderem Anwälte, Ärzte und Oppositionspolitiker massiv gegen das Vorhaben der vorsorgliche Speicherung von Telefon- und Internetdaten und warnten vor einer Aushöhlung der Grundrechte.

Die FDP-Rechtspolitikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht in der Vorratsdatenspeicherung einen Richtungswechsel im Datenschutz. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sollte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gerade vor unbegrenzter Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe höchstpersönlicher Daten schützen. Massive Kritik kam auch von der Linken sowie den Grünen.

Die Polizeigewerkschaften verteidigten das Gesetzesvorhaben und nannten die Angst vor einem "gläsernen Bürger" unbegründet. "Der Bürger kann sicher sein, dass die Polizei verantwortungsvoll mit diesen Daten umgeht", versicherte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) warf den Kritikern Panikmache vor.

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