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Editorial: Noch 'ne Insel

4D-Barcodes für Datenübermittlung im Nahbereich: top oder flop?
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Handys schwächeln im Nahbereich. Während sie über ihr Funkmodul mit Hilfe einer Basisstation im Umkreis von ein paar Kilometern weltweite Sprach- und Datenverbindungen aufbauen können, hapert es mit dem Nachbarn: "Schicke folgendes Foto zum Handy nebenan" oder "Bezahle das Taxi, in dem ich gerade sitze" sind zwar technisch möglich, aber so kompliziert, dass sie kaum genutzt werden. Für den Fotoversand an den Nachbarn per Bluetooth muss etwa zunächst der Empfänger sein Gerät in den sichtbaren Modus schalten, was man aufgrund von immer wieder auftauchenden Sicherheitslücken aber nur vorübergehend tun sollte. Dann muss der Sender das Gerät des Empfängers suchen, bei mehreren empfangsbereiten Bluetooth-Geräten in der Nähe das richtige auswählen und dorthin die Datei übermitteln. Schließlich muss der Empfänger sie wie eine MMS öffnen, wobei oft noch Sicherheitsrückfragen gestellt werden. Weltweite Anrufe sind da doch deutlich einfacher: Nummer tippen, grüne Taste drücken, warten, bis der Angerufene abnimmt, und dann sprechen.

Dabei könnte die Kommunikation mit dem Nachbarn nicht nur "nett zu haben", sondern durchaus kommerziell sehr interessant sein. Würde sich das Handy beispielsweise als virtuelle Geldbörse durchsetzen, könnten die Netzbetreiber sicher ein paar Cent pro Transaktion und/oder ein paar Promille vom Umsatz als Provision verdienen. Die Handyhersteller könnten wiederum mehr und/oder höherwertige Geräte verkaufen. Ebenso könnten Tickets im Handy gespeichert werden - bei der Einlasskontrolle hält man einfach sein Handy neben ein Lesegerät.

Immer wieder neue Ideen für "Handykommunikation mit dem Nachbarn"

Zwar geht das Bezahlen oder die Einlasskontrolle auch mit RFID-Chip in Kundenkarte oder Papierticket. Jedoch haben die wenigsten Kunden ein RFID-Lesegerät und wissen somit nicht, was in den "Schnüffelchips" über sie gespeichert wird. Entsprechend hoch ist die Ablehnung. Sind die Daten jedoch im Handy gespeichert, kann der Kunde sie über das Handymenü einsehen, und so etwa leicht eine Aufstellung der letzten Einkäufe erhalten - oder die Liste auch löschen, wenn er nicht will, dass jemand anderes diese sieht.

Und so ist es kein Wunder, dass immer wieder neue Ideen für die "Handykommunikation mit dem Nachbarn" das Licht der Welt erblicken. Nokia rüstet das 6131 mit NFC-Chip ("near field communication") aus, ebenso Sagem. Die Weimarer Bauhaus-Universität wirbt gar mit vierdimensionalen Barcodes, die per eingebauter Kamera abgefilmt und per zusätzlich installierter Software dann in Dateien umgerechnet werden können. Wohl dem, der eine ruhige Hand hat. Früher gab es bereits die Idee, per IR-Einheit in einem Plakat Daten an den Kunden zu übertragen.

Allen vorgenannten Lösungen ist gemeinsam: Es handelt sich um hervorragende Inseln. So rüstet die Bahn ihre 200 Testkunden für ihr Handyfahrkarten-Projekt "Touch & Travel" mit einem speziellen NFC-Handy von Motorola aus. Ob die Kunden sich im Fall der Einführung des Systems jedoch jeweils extra ein neues Handy kaufen, um künftig bei der Ticketkontrolle cool das Handy vorzeigen zu können? Wohl kaum. Und so droht die vielleicht anstehende Investition der Bahn in neue Lesegeräte und neue Automaten zum Millionengrab zu werden.

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