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Editorial: Viel versprochen - wenig gehalten

Roaming-Vielnutzer profitieren kaum oder gar nicht von EU-Regelung
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Diverse Politiker - unter anderem EU-Kommissarin Viviane Reding und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos - demonstrierten auf der CeBIT seltene Einigkeit. Die Roaming-Preise müssen runter, und eine neue Richtlinie, die unbedingt noch unter der Ratspräsidentschaft Deutschlands verabschiedet werden soll, ist das Ziel. In drei Monaten soll diese bereits umgesetzt sein - für Europa-Verhältnisse ist das sehr, sehr schnell.

Folgerichtig zieht Viviane Reding das Fazit: "Die europäische Union fährt auf der Regulierungsautobahn". Doch jeder kennt das: Auf der Autobahn fährt man auch mal schnell am Ziel vorbei, und genau das droht der EU-Roaming-Regulierung. Denn allen vollmundigen Versprechen der Politiker zum Trotz sinken die Roaming-Gebühren genau für diejenigen, die es am meisten bräuchten, am allerwenigsten, nämlich für Vielreisende. Diesen stehen für ihre Laufzeitverträge schon heute Welttarife zur Verfügung, bei denen abgehende Telefonate in vielen europäischen Ländern 59 bis 69 Cent pro Minute kosten. Verglichen damit bedeutet der nun regulierte Preis von ca. 59 Cent (nämlich 50 Cent zuzüglich Mehrwertsteuer) kaum eine Senkung.

Freuen können sich hingegen alle Nutzer von "teuren" Vertragstarifen oder gar Prepaid-Handys. Für diese geht es, wenn die EU-Roaming-Regulierung gemäß der derzeitigen Planung beschlossen wird, preislich kräftig nach unten. Nur dürften sich in dem angesprochenen Personenkreis sicherlich kaum Roaming-Vielnutzer befinden. Es kann zudem zu der paradoxen Situation kommen, dass ein Gespräch aus dem Ausland nach Deutschland nun günstiger ist, als ein solches von Deutschland nach Deutschland. Denn die nun beschlossene Entgeltobergrenze gilt ja nur für das Roaming, nicht für andere Telefonate. Gespräche von Deutschland ins Ausland bleiben ebenfalls bei fast allen Vertragsmodellen, von den wenigen Auslandsgespräch-Discountern wie Blauworld abgesehen, prohibitiv teuer.

Deutlich sparen kann man mit den neuen EU-Tarifen auch dann, wenn man im Ausland angerufen wird. Hier gibt es bisher nur wenige Tarife, die preislich bereits mithalten können, etwa Vodafones Reiseversprechen bei langen Telefonaten, oder Roaming-Discounter wie sumsim und chemobil.

Marktentwicklung gebremst

Die deutlichen Preissenkungen in vielen Tarifen sind positiv für die Kunden, ebenso gibt die regulierte Preisobergrenze den Kunden Sicherheit. Allerdings werden bei weitem nicht alle Preisfallen beseitigt: Telefonate vom eigenen Netz ins EU-Ausland bleiben teuer, ebenso wird das Roaming in Nicht-EU-Ländern nicht reguliert. Das betrifft insbesondere auch unser Nachbarland Schweiz, ein wichtiges Ziel für Urlaubs- und Geschäftsreisen. Insofern greift die geplante Richtlinie zu kurz. Sie ist nicht geeignet, den derzeit sehr intransparenten Roaming-Markt überschaubar zu machen, und die Kunden hier vor Abzocke zu schützen.

Vor allem aber scheitert die Richtlinie daran, einen für Vielnutzer adäquaten Tarif zu schaffen. 1000 Minuten im Inland in alle Netze gibt es im Paket schon für unter 60 Euro im Monat. Im Roaming kostet dieselbe Nutzung nach EU-Vorstellungen glatt den zehnfachen Preis! So sieht ein einheitlicher und grenzenloser Binnenmarkt jedenfalls nicht aus. Zum Vergleich: Im Festnetzbereich unterscheiden sich die Kosten für nationale und internationale Ferngespräche in andere EU-Länder nur um wenige Cent pro Minute.

Der neue regulierte Einheitspreis droht auch, die jüngst begonnene Entwicklung von Roaming-Discountern und Roaming-Paketen der Netzbetreiber abzuwürgen. Statt den bestehenden Netzbetreibern einen festen Preis vorzuschreiben, also faktisch einen kartellähnlichen Markt mit Einheitspreisen zu schaffen, wäre es im Sinne des Wettbewerbes besser, den Markt für Roaming und mobile Auslandsgespräche durch freie Netzbetreiberwahl zu öffnen. Kunden könnten sich dann per Call by Call oder Pre-Selection den Roaming-Anbieter ihrer Wahl heraussuchen. Durch die Kräfte des freien Marktes würde es dadurch binnen kurzem zu sehr attraktiven Roaming-Konditionen kommen. Künftige Verringerungen der Interconnect-Kosten würden zudem von den untereinander im Wettbewerb stehenden Roaming-Discountern schnell an die Kunden weitergegeben werden, während das aktuelle Verfahren wohl darauf hinausläuft, dass in einigen Jahren der Preis in der EU-Richtlinie erneut angepasst werden muss.

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