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Editorial: Fair-Use und unfaire Abzocke

Wenn die "Fast-Flatrate" zum Alptraum wird
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Sie waren eines der Highlights im Telekommunikationsbereich der diesjährigen CeBIT: Die Vielnutzertarife der großen Netzbetreiber T-Mobile und Vodafone für den mobilen Internetzugang per UMTS und dessen "Turbo"-Version HSDPA. Doch leider halten die Produkte nur einen Teil dessen, was sie versprechen.

So berechnet T-Mobile beim web'n'walk XL ein monatliches Grundentgelt von 35 Euro und einen Zuschlag von einem Euro pro Nutzungstag. Der Zuschlag fällt an, wenn man eine Einwahl durchführt, egal, ob man anschließend eine E-Mail mit fünf Kilobyte oder einen kompletten Windows-Service-Pack mit vielen hunderttausend Kilobyte überträgt. Zwar kann man den Tarif auch als ein Produkt mit 66 Euro Grundgebühr betrachten, bei dem man gegebenenfalls am Monatsende sogar ein paar Euro zurück bekommt. Dennoch: Ein wirklich sorgenfreier Tarif würde auf solche Zuschläge verzichten und einen festen monatlichen Preis vorsehen.

Volumentarif statt Flatrate

Der große Haken liegt jedoch woanders. Anfänglichen Ankündigungen einer echten Flatrate zum Trotz wurde daraus mit web'n'walk XL nur ein großes Volumenpaket mit monatlichen 5 GB. Überschreitet der Nutzer das Limit, zahlt er 1 Euro pro Megabyte zusätzlich. Hier liegt der Hase im Pfeffer: Achtet ein Nutzer nicht aufs Volumen und verbraucht sechs statt fünf Gigabyte, explodieren die Nutzungskosten von ca. 50 Euro (bei 15 Nutzungstagen) auf ca. 1 050 Euro! Der Gesamtpreis steigt damit um den Faktor 20! Das Extra-Gigabyte kostet sogar das ca. hundertfache eines Inklusiv-Gigabytes!

Derart große Datenmengen können durchaus vorkommen, insbesondere dann, wenn man den UMTS-Zugang als Ersatz für den DSL-Anschluss verwendet. Dieses macht für Kunden, die mehr Nächte im Hotel als zu Hause verbringen, ebenso Sinn, wie für OPAL-geschädigte Nutzer, die im Wohnhaus mit Glasfaser im Keller, aber ohne DSL in der Wohnung leben. Schauen diese zweimal pro Woche einen 100-minütigen Videostream mit 1 MBit/s an, werden bereits sechs Gigabyte erreicht. Ebenso gibt es auch große, legitime Downloads, wie die Evaluations-DVD von SuSE Linux mit 3,6 GB. Inklusive Overhead (IP-Header, ACK-Pakete) sind es über 4 GB, die für den Download durch die Luft bzw. über die Datenkarte gehen. Mit HSDPA ist der Transfer binnen eines Nachmittags möglich. Stellt man dann fest, dass die 64-Bit-Variante auf dem eigenen Rechner noch nicht läuft, und holt am nächsten Nachmittag auch noch die 32-Bit-Variante, sind es in Summe schon über 8 GB.

Alternativen zur Kostenexplosion

Die vorgenannte Kostenexplosion für Überschreitungen muss nicht sein. Für den Kunden akzeptable "Fair-Use"-Regelungen zur Deckelung des monatlichen Transfers sind viele denkbar: Warn-SMS könnten informieren, wenn eine Limit-Überschreitung droht, oder das Netz drosselt die Download-Raten gegebenenfalls so stark, dass man das Limit gar nicht erst überschreiten kann. Auch Zusatz-Entgelte für den Überverbrauch sind akzeptabel, solange sie sich im vernünftigen Verhältnis zu den Kosten für das Inklusivvolumen bewegen. Da die Inklusiv-Gigabyte je ca. zehn Euro kosten, sind 20 bis maximal 30 Euro für den Extra-Traffic vorstellbar. Die Vodafone-Lösung, erst ab der dritten Überschreitung in Folge zu kassieren, gibt dem Kunden immerhin die Chance, sein mobiles Surfverhalten anzupassen.

Es ist den Netzbetreibern auch nachzusehen, dass sie ihre mobilen Flatrates deckeln. Es handelt sich nunmal um ein geteiltes Medium. Wer dauernd am Limit saugt, beeinträchtigt damit auch alle anderen Nutzer in derselben Mobilfunkzelle. Für echte "Poweruser" sind kabelgebundene DSL-Anschlüsse weiterhin die beste Lösung. Hier führt zu jedem Nutzer ein anderes Kabel; Engpässe können hier erst im Backbone auftreten, das sich aber mit Glasfasern im Gigabit-Bereich viel besser und schneller ausbauen lässt, als ein Mobilfunknetz.

Imageverlust durch teure Tarif-Fallen

Auch wenn die Netzbetreiber somit ein nachvollziehbares Interesse an begrenzten Download-Mengen haben, sind sie dennoch verpflichtet, diese Deckelung auf vertretbare Weise umzusetzen. Andernfalls müssen sie sich nämlich vorhalten lassen, eine bösartige Falle aufzubauen. Wer im Vertrauen darauf, einen "XL"-Tarif zu haben, munter auch große Dateien herunterlädt, kann - wie oben beschrieben - plötzlich mit einer Rechnung über tausend Euro und mehr konfrontiert sein. Gut, das werden Einzelfälle bleiben, aber haben die Netzbetreiber wirklich das Recht, mit einem Einzelfall so viel Geld zu verdienen, wie mit Dutzenden normalen Kunden?

Andererseits schadet sich T-Mobile mit dem skizzierten Verhalten auch selbst. Kunden, die plötzlich mit der Mega-Rechnung dastehen, sind bestimmt die beste nur denkbare Werbung für die Konkurrenz. Interessenten, die sich mehrere alternative Datentarife für Vielnutzer ansehen, werden ebenfalls eher dort den Vertrag schließen, wo sie sich sicher fühlen.