Startschuß

UMTS-Mobilfunk-Auktion startet am Montag

Sieben Bieter gehen an den Start - Profite liegen in weiter Ferne
Von Christopher Paun

Schneller Internet-Zugang, Videkonferenzen, Börsengeschäfte oder Online-Reisebuchung - dem Mobilfunkstandard der dritten Generation gelten alle Hoffnungen der Telekom-Branche. Wenn am Montag in Mainz das Milliardenroulette um die so genannten UMTS-Lizenzen beginnt, geht es aus Sicht der Bieter um Sein oder Nicht-Sein auf dem größten Mobilfunkmarkt Europas. Vier bis sechs Anbieter werden zum Zuge kommen. Selbst wenn die Lizenzkosten nun deutlich geringer ausfallen dürften als von vielen Firmen zunächst befürchtet, liegt eine jahrelange Durststrecke vor den erfolgreichen Bietern, bevor sich die Milliardeninvestitionen lohnen.

Wie eine Schockwelle ging Ende April die Nachricht von den Erlösen der Londoner UMTS-Versteigerung durch Europa, die dem britischen Staat mit umgerechnet 75 Milliarden Mark das Zehnfache des ursprünglich erwarteten Betrages einbrachte. Ein Streit über die unterschiedlichen UMTS-Vergabeverfahren in verschiedenen Ländern entbrannte. Unternehmenschefs und staatlichen Kassenwarte warfen ihre Kalkulationen für kommende Auktionen um. Der Begriff "UMTS" wurde von Finanzminister Hans Eichel verschmitzt mit "Unerwartete Mehreinnahmen zur Tilgung von Schulden" aufgelöst.

Mittlerweile sind die Prognosen vorsichtiger. In den Niederlanden nahm die Den Haager Regierung bei der am Montag beendeten Auktion nur ein Drittel des erhofften Betrages ein. In Paris machte die Regierung, die ihre vier Lizenzen zunächst auf 15 Jahre für umgerechnet knapp je zehn Milliarden Mark verpachten wollte, einen Rückzieher und will nun zunächst die deutsche Versteigerung abwarten. Das Münchner ifo-Institut rechnete am Donnerstag mit Gesamteinnahmen von 45 Milliarden Mark.

Wenn ab Montag in Mainz die UMTS-Auktion beginnt, stehen sieben Firmen und Konsortien für die größte Versteigerung in der deutschen Wirtschaftsgeschichte in den Startlöchern. Natürlich dabei sind die vier etablierten Netzbetreiber. Für sie geht es nach dem Motto "Buy-or-bye-bye" um die Wahrung des Besitzstandes. Auch drei Anbieter, die bislang ohne eigenes Netz sind, beteiligen sich an dem Hauen und Stechen um die maximal sechs Lizenzen.

Mannesmann Mobilfunk: Für die Vodafone-Tochter gibt es keine Alternative zum Lizenz-Kauf, wenn das Unternehmen seine Spitzenstellung in Deutschland mit einem Marktanteil von 40,6 Prozent verteidigen will. Dies gilt als sicher: Vodafone-Chef Chris Gent setzt ohnehin alles auf die Karte Mobilfunk und machte aus dem Mischkonzern Mannesmann nach der Übernahme im Februar in wenigen Monaten einen reinen Telekommunikationskonzern. Schon bei der britischen Versteigerung hatte Vodafone bis zum Ende mitgeboten.

T-Mobil: Die Tochter des Ex-Monopolisten mit dem D1-Netz und derzeit 39,4 Prozent aller Mobilfunkkunden in Deutschland wird sich bei der Zukunftstechnik UMTS auf dem Heimatmarkt kaum abhängen lassen. Erklärtes Ziel von Telekom-Chef Ron Sommer ist es, die Nummer eins in Europa zu werden. Nach dem dritten Börsengang und einer Milliarden-Anleihe auf den internationalen Finanzmärkten ist die Kriegskasse des Bonner Konzerns gut gefüllt. Auch der jüngst verkündete Kauf des US-Mobilfunkanbieters VoiceStream konnte sie nicht schmälern, da er vorwiegend über einen Aktientausch abgewickelt wird. Da durch den Aktientausch die Hongkonger Gruppe Hutchison Whampoa mit 4,9 Prozent an der Telekom beteiligt werden soll, aber bereits im Verbund mit e-plus und deren niederländischer Muttergesellschaft KPN für eine der Lizenzen bietet, wurden Komplikationen befürchtet, denn keine Firma darf bei der Auktion doppelt vertreten sein. Die Befürchtungen hat die Regulierungsbehörde allerdings am Freitag zerstreut. Der VoiceStream-Kauf werde "frühestens in sechs Monaten" abgeschlossen sein, sagte ein Behördensprecher. Für die Auktion gebe es damit "keinerlei Probleme".

Die deutsche e-plus als Nummer drei auf dem deutschen Markt bietet formal gar nicht mit. Statt dessen springt die Mutter KPN in die Bresche, die sich gerade in den heimischen Niederlanden eine UMTS-Lizenz für eine Spottpreis gesichert hat. KPN soll nach einem Zuschlag die Betreiberrechte dann auf e-plus übertragen. Mit im Bunde ist der Hongkonger Gruppe Hutchison Whampoa, mit der KPN gerade gemeinsam mit dem japanischen Branchenersten NTT DoCoMo eine strategische Allianz bildete.

Viag Interkom, derzeit mit dem E2-Netz Nummer vier auf dem deutschen Mobilfunk-Markt, fürchtet, bei der Auktion "nolens volens alles mitmachen zu müssen", um bei der Zukunftstechnik dabei zu sein. "Langfristig wird es sich auch auszahlen", sagt Firmenchef Maximilian Ardelt. Nach dem "Spielfieber" in Großbritannien sei "mehr Rationalität" eingekehrt. Interkom-Großaktionär British Telecom ersteigerte in London eine Lizenz für gut vier Milliarden Pfund (mehr als zwölf Milliarden Mark), auch die anderen Eigner E.ON und Telenor gelten als finanzkräftig.

Der Ex-Partner der Telekom, France Telecom, will mit hohem finanziellen Aufwand und im Bunde mit der norddeutschen MobilCom eine Lizenz erwerben und den Sprung auf den deutschen Markt schaffen. MobilCom-Chef Gerhard Schmid kann eigenen Angaben zufolge mit dem Pariser Unternehmen im Rücken 22 bis 24 Milliarden Mark auf den Tisch legen.

Als einer der schwer einschätzbaren Bieter gilt das Konsortium 3G, dem nach dem Rückzug der von France Télécom gekauften britischen Firma Orange noch die spanische Telefonica und die finnische Sonera angehören. Telefónica verfügt wie Sonera bereits auf dem spanischen Markt über eine Lizenz. Die Durchsetzungskraft des Konsortiums gilt nach dem Rücktritt von Telefónica-Chef Juan Villalonga und der geplatzten Fusion von Telefónica mit KPN als unsicher.

Als wenig aussichtsreicher Kandidat gilt die Swisscom-Tochter Debitel. Der größte deutsche Service-Provider hatte schon im Juni angekündigt, "nicht um jeden Preis" bei der Versteigerung mitzubieten. Die debitel-Führung will deshalb verstärkt auf Mobilfunk-Anwendungen als auf Kartenverträge setzen.

Hohe Kostenschätzungen von bis zu 120 Milliarden Mark für sechs Lizenzen hatten bei einigen Unternehmen für deutliche Ernüchterung gesorgt. Das Feld der ursprünglich elf zugelassenen UMTS-Bieter lichtete sich. Talkline zog Mitte Juni die Notbremse: "Wir kalkulieren solide und setzen weder das Kapital unserer Gesellschafter noch die Zukunft unserer Mitarbeiter fahrlässig aufs Spiel", begründete Firmenchef Kim Frimer den Rückzieher. Der Elmshorner Anbieter setzt nun auf eine Allianz mit einem UMTS-Halter, dem Frimer im Gegenzug seine Festnetzinfrastruktur anbieten will.

Zu solchen Ausweich-Strategien rät auch Rudolf Fischer von der Unternehmensberatung Arthur D. Little. Bei der UMTS-Euphorie gelte es vor allem für Kleinanbieter, "kühlen Kopf" zu bewahren. Da die Einführung der Technik Jahre auf sich warten lassen werde, könnten die leer ausgegangenen Firmen eingesparte Auktionsmilliarden zunächst in Tarifsenkungen und Werbung stecken, um ihren Marktanteil zu vergrößern.

Wann die Ausgaben für die Lizenzen wieder hereingeholt werden sollen, steht ohnehin in den Sternen. In Großbritannien wurden - vom Kleinkind bis zum Greis - umgerechnet fast 1300 Mark je Einwohner allein für die Lizenzen hingelegt. Ob die Kunden bereit sind, entsprechend hohe Telefongebühren zu zahlen, ist fraglich. Die Kosten können nicht deutlich über dem angesiedelt werden, was heute üblich ist. Ein höherer Preis ist nur für Datendienste gerechtfertigt, wo UMTS einen deutlichen Mehrwert gegebüber den bisherigen GSM-Netzen bietet. Und die Zusatzeinnahmen durch M-Commerce-Allianzen sind ebenfalls endlich. Noch in diesem Jahrzehnt rechnet kaum ein UMTS-Experte mit schwarzen Zahlen.