Deutschland: Glasfaser-Ausbau im 2-Sekunden-Takt?
Eines der Highlights der Messe Anga Com in Köln war eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zum Faktencheck des Glasfaserausbaus unter der Leitung der Journalistin Ina Karabasz (Handelsblatt), die bestens vorbereitet den CEOs knifflige Fragen servierte und auch öfters nachhakte.
ANGA sieht Ausbau auf gutem Weg
Zunächst hielt Thomas Braun, Vorstand des ANGA, Verband Deutscher Kabelnetzbetreiber e.V. (ursprünglich gegründet als "Arbeitsgemeinschaft für Betrieb und Nutzung von Gemeinschaftsantennen- und -verteileranlagen"), eine Grundsatzrede. "Es wurde geliefert. In vielen Städten gibt es mehr als 10 Millionen Gigabit-Anschlüsse, davon 3,7 Millionen auf FTTB/H-Basis. Die Zahl der Anschlüsse, die 400 MBit/s und mehr können, sei um 10 Prozent gestiegen. Er rechne damit, dass bald drei von vier Haushalten einen Zugriff auf Gigabit haben dürften, wobei der Ausbau oft eigenwirtschaftlich (also ohne Förderung) erfolge. Es gelte immer höhere Investitionen zu stemmen, die nicht immer mit wachsenden Umsätzen verknüpft seien. Für die Zukunft denken die Kabelnetzbetreiber bereits über 10 GBit/s im Download nach.
Netzausbau hilft eher Inhalteanbietern
Braun kritisierte, dass der Netzausbau den Inhalteanbietern mehr helfe, als den Netzbetreibern. Als Problem hat Braun ausgemacht, dass der Staat immer mehr reguliere, beispielsweise "die überzogene Netzneutralität, oder den Datenschutz und die Forderungen nach einem pauschalen Recht auf schnelles Internet für alle".
Spannende Diskussion
Unter der Leitung von Ina Karabasz (Handelsblatt) diskutierten: Hannes Ametsreiter (Vodafone), Timm Degenhardt (Tele Columbus), Timo von Lepel (NetCologne), Uwe Nickl (Deutsche Glasfaser), Winni Rapp (Unitymedia), Norbert Westfal (EWE) und Dirk Wössner (Telekom)
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Ina Karabasz übernahm die Diskussion und begrüßte die Vorstände
Dirk Wössner (Telekom Deutschland), Norbert Westfal (EWEtel), Winfried Rapp (Unitymedia), Uwe Nickl (Deutsche Glasfaser), Timo von Lepel (Netcologne), Timm Degenhardt (TeleColumbus) und Hannes Ametsreiter (Vodafone).
Karabasz rechnete vor, dass beim Neuaufbau von Glasfasernetzen bis Ende 2018 viele Länder das EU-Ziel nicht schaffen werden. Deutschland liege bei Geschwindigkeiten oberhalb von 100 MBit/s eher im unteren Drittel. Aber es gibt auch gute Nachrichten. Die Investitionen in den Ausbau sind auf 9 Milliarden Euro gestiegen (+3 Milliarden), 34,2 Millionen Kunden haben einen Vertrag unterschrieben.
Telekom: über 500.000 Kilometer Glas
Telekom Chef Dirk Wössner verwies auf sein bestehendes Netz von über 500.000 km Glasfaser, letztes Jahr kamen 60.000 km dazu. 2018 konnte die Telekom 200.000 Kunden direkt über Glasfaser erreichen (FTTH/B), er hat 2 Millionen "Glaskunden" (Glasfaser bis ans oder ins Haus) als nächstes Ziel.
Deutsche Glasfaser: Start bei Null
Die Deutsche Glasfaser (DGF) fing bei Null an. Der "Finanzinvestor" KKR - im Volksmund als "Heuschrecke" bezeichnet - ist bei der DGF investiert. Nickl widersprach den Bedenken. "Es gibt eine Assetklasse Infrastruktur-Ausbau. Dort wird langfristiger, auf etwa 7 bis 10 Jahren investiert."
Nickl hat festgestellt, "Deutschland will Bandbreite für 19,95 Euro im Monat", aber dafür könne man keine Glasfaser bauen. "So kommen wir mit Vectoring oder Super-Vectoring aus." Glasfaser ist "extrem teuer, das rechnet sich nicht in 5 bis 10 Jahren".
Sein Unternehmen meldet 500.000 Kunden und 300.000 Unterschriften unter neue Verträge, er baue 15 bis 20.000 Anschlüsse/Monat und zwar eigenwirtschaftlich, also ohne Förderung. Dazu geht er in unerschlossene Regionen und beginnt erst zu graben, wenn 40 Prozent der dort lebenden Bewohner bei ihm unterschreiben, man spricht im Jargon von einer "Take-Up-Rate" von 40 Prozent.
Netcologne im Raum Köln sehr aktiv
Timo von Lepel von Netcologne hat 20.000 Anschlüsse im Großraum Köln. Letztes Jahr habe man sich auf Gewerbebetriebe und Schulen konzentriert. Wichtig sei es, die Prozesse gut zu strukturieren, schwierig sei es, Baufirmen zu bekommen.
Das Unternehmen konnte auch einige Kooperationen abschließen, so kauft der Anbieter 1&1 auch Leitungen bei Netcologne.
EWEtel freut sich Kooperation mit Telekom
Norbert Westfal (EWE) hat mit der Deutschen Telekom eine gemeinsame Gesellschaft gegründet, die Glasfaser in die Fläche bringen will. Die Kooperation sei am 21. März beim Kartellamt zur Genehmigung angemeldet worden. Er hoffe, dass nach vier Monaten endlich die Entscheidung falle. Geplant sei, bis Jahresende 500.000 Haushalte erreichen zu können (Fachbegriff "Home passed" = das sind anschließbare Haushalte, die aber noch nichts unterschrieben haben und auf deren Grundstück noch nichts verlegt wurde).
Viele Kunden wären aktuell mit 10 MBit/s und darunter unterwegs. Es gebe gewaltigen Bedarf.
Telekom: Lange über Glasfaser nachgedacht
Im Unternehmen von Dirk Wössner (Telekom) habe man lange darüber nachgedacht, ob FTTH die ultimative Technik für den Hausanschluss sei. Schon vorher hatte die Telekom Glasfasern zu den Verteilerkästen ("Fibernode") gelegt. Wichtig sei beim Ausbau, die Städte ins Boot zu bekommen, denn der Ausbau der letzten Meter zum Kunden sei komplex und aufwendig.
Vodafone: Jede Menge Gigabit
Hannes Ametsreiter verwies darauf 9,2 Millionen Haushalte mit Gigabit-fähigen Anschlüssen erreicht zu haben. "Alle zwei Sekunden gibt es einen neuen Anschluss". Dabei findet ein Mix aus alter und neuer Technik statt, die Kabelnetze werden Stück für Stück neu segmentiert und die Knoten über Glasfaser angebunden. Das Kabel soll künftig sogar 10 bis 25 GBit/s bringen können.
Open Access ist wichtig
Alle Vertreter betonten, das Glasfaser "Open Access" brauche, sprich, wenn schon eine Leitung liege, sollten andere Anbieter sich auf diese Leitung "einmieten", sie also mitbenutzen können, aber nicht parallel eine eigene Leitung verlegen, was die Kalkulation der zuerst dagewesenen Anbieters zerstöre.
Warum auch Privatkunden teilweise am schleppenden Glasfaser-Ausbau Schuld sein könnten, wird auf der zweiten Seite erklärt.