Meinungsäußerung

Kommentar zum Amazon Fire Phone: Zu wenig Inno­vationen für zu viel Geld

Das Amazon Fire Phone ist da. Doch so wirklich umgehauen hat es uns nicht. Wir fassen die Daten des Smartphones zusammen und äußern unsere Meinung zum Gerät. Was an dem Fire Phone gut gelungen ist und was es zu meckern gibt, lesen Sie im Kommentar.
Von Rita Deutschbein

Kommentar zum Fire Phone von Amazon Kommentar zum Fire Phone von Amazon
Bild: Amazon
Je länger die Wartezeit, desto schöner das Resultat? Dieser Satz trifft meiner Meinung nach nicht ganz auf das Fire Phone zu, das Amazon am gestrigen Abend vorgestellt hat. Ich habe die Übertragung des Launch-Events in Seattle verfolgt und kenne die Details des neuen Smartphones. Als bekennender Nutzer eines Kindle Fire HDX möchte ich das Fire Phone aus meiner Sicht einschätzen und kläre die Frage, ob das Amazon-Handy Potenzial hat, Konkurrenten wie Samsung, Apple und Co. gefährlich zu werden.

Wenn Amazon schweigt, fangen die Vermutungen an

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Bild: Amazon
Quad-Core-Prozessor, viele Kameras, ein 3D-Display – mit diesen Ausstattungsmerkmalen wollte das Fire Phone bereits vor seinem Launch auf sich aufmerksam machen. Im Zuge der Vorstellung stellte sich bei mir allerdings Ernüchterung ein: Sicher, der 2,2-GHz-Quad-Core-Prozessor verspricht zusammen mit dem 2 GB großen Arbeitsspeicher eine flotte Leistung. Doch stellt sich mir die Frage, welcher Typ von Prozessor eigentlich zum Einsatz kommt. Von Qualcomm stammt er, soviel wissen wir - und nun? Für eine realistische Einschätzung der Leistung fehlt mir die Angabe, ob es sich bei der CPU um einen Snapdragon 800 oder doch den neueren 801 oder gar 805 handelt. Die Taktrate und die Verwendung einer Adreno 330 als Grafikeinheit lässt auf den Snapdragon 800 schließen. Stimmt die Vermutung, bleibt das Fire Phone hinter dem aktuellen Flaggschiffen von Samsung, HTC, LG und Sony zurück.

Fire OS: Ein Android, das keines ist

Das System des neuen Smartphones beruht auf Android. Sehen kann der Nutzer dies aber nicht. Amazon nennt sein stark angepasstes Android Fire OS. Erstmals zu sehen war auf den Tablets des Online-Händlers.

Amazon Fire Phone

"Drum prüfe, wer sich ewig bindet" heißt es in einem alten Sprichwort. Und dies sollten Nutzer auch tun. Denn wer sich für ein Tablet oder das neue Smartphone von Amazon entscheidet, bindet sich auf (Hardware-)Lebenszeit an den Online-Händler. Zugang zum Google Play Store? Fehlanzeige. Problemlose Nutzung alternativer Browser? Nein. Dafür sind Anwendungen wie Amazon Prime Video, der Zugang zum Amazon Appstore oder zum Video-Streaming-Dienst bereits vorinstalliert. Auf meinem Tablet stört mich dies nicht, denn ich nutze es hauptsächlich, um im Internet zu surfen. Im Gegenteil empfinde ich den Zugang zum Prime-Videodienst oder zu meinen E-Books mit nur einem Klick als sehr bequem. Doch auf meinem Smartphone möchte ich unabhängig sein und habe mich aus diesem Grund für das klassische Android entschieden.

Beim Fire Phone bekommen Nutzer eine Oberfläche, die kaum anpassbar ist. Amazons Angebote und Dienste stehen hier im Mittelpunkt. E-Books kaufen, Musik und Filme herunterladen oder im Online-Store shoppen: Auf meinem Smartphone brauche ich dies nicht. Vielmehr möchte ich eine klare Struktur sowie alle für mich wichtigen Infos und Anwendungen auf einen Blick. Ich bin mir nicht sicher, ob mir das Fire Phone dies bieten kann. Denn auch beim Kindle Fire HDX muss ich die Benutzeroberfläche so nehmen, wie sie Amazon gestaltet hat. Lediglich die angezeigten Anwendungen kann ich selbst bestimmen. Zudem weiß ich, dass ich im Google Play Store alle meine Messenger finde - ob auch Amazons Appstore diese auf Lager hat? Wer weiß.

Revolutionäre Funktionen oder doch nur viel Lärm um nichts?

Womit will sich das Fire Phone also aus der Masse hervorheben? Sicherlich mit den Funktionen, von denen mir als Besitzer eines Kindle Fire HDX bereits einige bekannt sind, andere von Amazon aber neu entwickelt wurden. Darstellungen in 3D, die durch die vier frontal angebrachten Infrarot-Kameras, die die Kopfbewegung des Nutzers verfolgen, möglich gemacht werden, gehören zu den Neuheiten. Ein nettes Gimmick, doch für mich ehrlich gesagt etwas zu verspielt. Dazu kommt, dass der 4,7 Zoll große Bildschirm lediglich in HD auflöst - für ein Smartphone, das ganz oben mitspielen will, meiner Meinung nach zu wenig.

Netter ist da schon die Funktion Firefly. Das Fire Phone soll so ziemlich alles scannen und erkennen können - egal ob klassische Barcodes, Gegenstände, Kunstwerke, Musik und Serien. Aus einer riesigen Datenbank werden mir dann laut Amazon weitere Informationen präsentiert oder ich kann entsprechende Medien kaufen. Einige Nutzer werden diese Scan-Funktionen bereits von Apps wie Shazam, SoundHound oder Google Goggles kennen, doch ist mir zumindest kein Programm bekannt, das sowohl eine bildliche, akustische als auch numerische Erkennungsfunktion in einer App vereint. Firefly könnte also interessant sein.

Das K.O.-Kriterium ist für mich jedoch der Preis. Normalerweise bringt Amazon seine Geräte zu einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis auf den Markt. Denn die Kunden wissen, dass sie sich mit dem Kauf der Geräte an den Händler binden. Amazon kann über seine Geräte einen guten Umsatz generieren, der es ihm erlaubt, die Hardware günstiger anzubieten. Ein Blick auf die amerikanische Amazon-Seite hat mir verraten, was das Smartphone ohne AT&T-Vertrag kosten wird. Und dieser Preis hat mich fast umgehauen. 649 US-Dollar verlangt der Händler für das Fire Phone. Also von wegen 199 US-Dollar, die nur im Zusammenhang mit einem Zweijahresvertrag von AT&T anfallen. Ziemlich viel Geld für ein Telefon, das die Ausstattung eines Last-Year-Flaggschiffs hat. Da helfen mir auch die ach so revolutionären Funktionen nicht darüber hinweg. Sorry Amazon, solltest du das Fire Phone nach Deutschland bringen, musst du schon ordentlich an der Preisschraube drehen. Denn mehr als 450 Euro wäre mir das Telefon nicht wert.

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