Themenspezial: Verbraucher & Service Rosinenpickerei

Editorial: Vom Händler zum Logistiker

Amazon will künftig auch fremde Pakete ausliefern. Nutzt oder schadet das den Verbrauchern? Und wie können die Behörden einen möglichen Schaden von den Verbrauchern abwenden?
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Amazon Vom Buchhändler zum Versandimperium?
Foto: picture-alliance / dpa
Der Online-Handels-Riese Amazon mutiert zunehmend vom Händler zum Logistiker. Schon seit langem bietet Amazon auch fremden Händlern an, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Waren auf den Amazon-Webseiten zu verkaufen, wobei Amazon (wenn der Händler es so wünscht) auch Verpackung und Versand übernimmt. Vor einigen Jahren kam der eigene Amazon-Lieferdienst in den Großstädten hinzu. Jetzt geht Amazon den konsequenten nächsten Schritt und bietet anderen Unternehmen die Abholung bereits verpackter Pakete und deren Zustellung an die Empfänger an - zunächst in Los Angeles. Weitere Städte werden sicher bald folgen, wenn der Dienst erfolgreich ist.

Für Amazon ist die eigene Logistik definitiv sinnvoll. Denn in dem Maße, wie Online-Shopping auch für immer alltäglichere Waren zur Gewohnheit wird, nimmt der Bestellwert kontinuierlich ab. Entsprechend steigt der Anteil der Versandkosten am Gesamtwert eines Auftrags. Die Versandkosten durch die Übernahme immer größerer Teile der Logistik zu drücken, war für Amazon der erste Schritt. Der zweite Schritt ist nun, die eigenen Logistik-Dienste auch Dritten anzubieten, und so die eigenen Zusteller besser und gleichmäßiger auszulasten.

Gut oder schlecht für die Verbraucher?

Amazon Vom Buchhändler zum Versandimperium?
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Für die Verbraucher kann der Amazon-Lieferdienst eine gute, aber auch eine schlechte Nachricht sein. Gut ist, dass durch den neuen Zusteller die Konkurrenz zunimmt und somit eine Aussicht auf sinkende Preise und/oder bessere Qualität der Zustelldienste besteht. Schlecht ist, dass zugleich die Gefahr besteht, dass Amazon immer größere Teile des Paketgeschäfts an sich reißt und künftig die Preise kontrolliert. Günstige Zustellung gäbe es dann nur noch für Amazon-Pakete. Alle anderen würden draufzahlen.

Extra-günstige Paketversandpreise für Amazon gibt es übrigens bereits heute. Bei DHL kostet ein Paket bei online-Kauf und Einlieferung im Paket-Shop mindestens 4,99 Euro. Für dasselbe Geld können Amazon-Prime-Kunden tausende Artikel vom USB-Verlängerungskabel über die LED-Birne bis hin zum Bastelbuch bestellen - letzteres sogar für nur einen Euro, inklusive Expressversand. Zwar gibt es bei Amazon Prime eine gewisse Mischkalkulation, bei der die jährliche Grundgebühr und der Verkauf von teuren Artikeln die Versandkosten von günstigen Allerweltsartikeln quersubventionieren. Aber die Mischkalkulation würde nie und nimmer aufgehen, wenn Amazon wirklich fünf Euro für den Prime-Versand von Kleinartikeln bezahlen müsste.

Mischkalkulation gegen den kleinen Auftraggeber

Auffällig ist, dass Amazon die eigenen Lieferdienste vor allem in Gebieten mit dichter Wohnbebauung einsetzt, und ländliche Gebiete und Industriegebiete außen vor lässt. In ländlichen Gebieten sind die Wege länger, in Industriegebieten ist es für die schnelle und korrekte Zustellung oft vonnöten, dass sich der Zusteller persönlich auskennt. Letzteres erschwert aber die Personalplanung, wenn nicht jeder Zusteller alle Touren fahren kann.

Am Ende besteht die Gefahr, dass Amazon Logistics sich die Rosinen aus dem Zustellgeschäft herauspickt und die Problemfälle bei den etablierten Zustellern wie DHL, Hermes oder DPD belässt. Letztere müssten dann die Preise erhöhen, weil deren bisherige Mischkalkulation nicht mehr aufgeht, oder den Service verschlechtern. Beides wäre zum Nachteil von Abermillionen von Kunden, die Amazon Logistics nicht beliefert. Drohen künftig gar "weiße Flecken" vor allem in ländlichen Gebieten nicht nur bei der Versorgung mit schnellem Internet, sondern auch bei der Paketzustellung? Hoffentlich nicht!

Es ist Aufgabe von Kartellamt und Bundesnetzagentur, sich das Treiben des Amazon-Lieferdienstes genau anzuschauen. Zum einen müssen diese verhindern, dass Amazon seine marktbeherrschende Stellung als Online-Händler ausnutzt, um unbotmäßige Rabatte bei DHL und Co. herauszuschlagen, während andere große, aber eben nicht ganz so große Händler und Einzelkunden am Ende draufzahlen. Zudem sollte möglichst früh über eine Universaldienstverpflichtung von Amazon Logistics gesprochen werden. Am besten legen die zuständigen Behörden schon bald einen Marktanteil fest, ab dessen Überschreitung Amazon Logistics verpflichtet wird, bundesweit und nicht nur regional auszuliefern. Entweder bleibt Amazon dann bewusst darunter, oder sie müssen eben aufhören, sich die Rosinen herauszupicken.

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