Streit um Anti-Abmahn-Gesetz
Ist die DSGVO ein Paradies für Profi-Abmahner? Handel und Politik haben sich in die Wolle bekommen.
Foto: Picture-Alliance / dpa
Es gibt Zeitgenossen, die haben bei der Suche nach dem "optimalen Geschäftsmodell" entdeckt, dass sich mit den Fehlern anderer Leute richtig gutes Geld verdienen lässt. Dazu braucht man einen Anwalt (oder jemand, der sich juristisch gut auszukennen glaubt), ein Gesetz, das kaum jemand kennt oder verstanden hat, und dann kann man schnell eine Abmahnung verschicken. "Sie haben gegen Paragraph 4711 Abs.5 Buchstabe z verstoßen und müssen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben und außerdem ordentlich zahlen. Tun Sie das nicht, müssen Sie (vielleicht) noch viel mehr zahlen." Während es bei Abmahnungen gegenüber Endverbrauchern schon einige sinnvolle Vorschriften zu geben scheint, ist das im geschäftlichen Bereich ("B2B") schon wesentlich komplexer.
Löst DSGVO Abmahnwelle aus?
Ist die DSGVO ein Paradies für Profi-Abmahner? Handel und Politik haben sich in die Wolle bekommen.
Foto: Picture-Alliance / dpa
Die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) stellt einige Dinge gewaltig auf den Kopf und viele kleinere Unternehmen befürchten seitdem, gar nicht zum Bedienen ihrer Kunden zu kommen, weil sie schnell mit Abmahnungen überschüttet werden, weil irgendeine Kleinigkeit ja immer "abmahnfähig" ist. Dagegen sollte das neue "Gesetz gegen Abmahn-Missbrauch" helfen. Doch darum ist jetzt politischer Streit entbrannt. Union und FDP haben dem SPD-geführten Bundesjustizministerium vorgeworfen, einen Gesetzentwurf gegen missbräuchliche Abmahnungen zu blockieren. Konkret geht es um einen Entwurf „zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“. Dieser liegt wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Frage, ob auch explizit Abmahnungen wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in das Gesetz aufgenommen werden sollen, seit Monaten auf Eis. Das berichtet die Wirtschaftszeitung "Handelsblatt".
„Ich verstehe nicht, warum die SPD darauf besteht, dass jeder kleine Mittelständler wegen angeblicher Datenschutzverstöße von dubiosen Anwälten und Vereinen teuer abgemahnt werden kann, obwohl doch eigene Datenschutzbehörden mit hohen Bußgeld-Möglichkeiten dafür zuständig sind“, sagte der Vize-Chef der Unions-Bundestagsfraktion, Carsten Linnemann (CDU), dem Handelsblatt. „Aus meiner Sicht wird hier ein Abmahn-Geschäftsmodell zulasten des Mittelstands unterstützt, das mit Datenschutz nichts zu tun hat.“ Linnemann forderte die SPD auf, ihren Widerstand „schnell“ aufzugeben.
Auch der FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sieht dringenden Handlungsbedarf. „Die missbräuchlichen Abmahnungen stellen eine massive Bedrohung nicht nur für Kleinunternehmen und neugegründete Start-ups dar“, sagte Theurer dem Handelsblatt. Er erinnerte daran, dass die Liberalen schon im Juni 2018 im Bundestag beantragt hätten, gegen Abmahn-Missbrauch bei der DSGVO vorzugehen und klare Regeln zu schaffen. „Die Große Koalition hat es verschlafen, diese wichtigen Themen aufzugreifen.“
Handelsverband schrieb Brandbrief
Auch der Handelsverband HDE (früher Hauptverband des Einzelhandels) warnt in einem Brandbrief an Minister Altmaier vor Scheitern der Regierungspläne. „Mit großer Sorge beobachten wir, dass im Kabinett seit über einem halben Jahr keine Beschlussfassung über den vorliegenden Referentenentwurf erfolgen konnte, weil eine Einigung der Ressorts bisher nicht zustande gekommen ist“, heißt in einem dem Handelsblatt vorliegenden Brief des HDE-Präsidiums an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).
Beim Thema Abmahnungen wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) "handelt es sich in der Tat um ein wichtiges Thema, welches auch die Einzelhandelsunternehmen bewegt“, erklären der Präsident und der Hauptgeschäftsführer des HDE, Josef Sanktjohanser und Stefan Genth, in ihrem Schreiben. Zugleich betonen sie: „Keinesfalls darf an dieser Streitfrage aber das gesamte Projekt scheitern.“
Der HDE brachte eine leicht entschärfte Variante des Gesetzentwurfs ins Spiel. Ursprünglich hatte der Verband darauf bestanden, im Fall von Verstößen gegen das Datenschutzrecht die Klagebefugnis von Mitbewerbern zu erschweren. Nun kann sich der HDE auch vorstellen, auf eine solche Regelung zu verzichten, wenn stattdessen „kleinere Lösungen auf der Rechtsfolgenseite“ in Betracht gezogen würden. Dazu gehört für Sanktjohanser und Genth etwa der Ausschluss von sogenannten „Aufwendungsersatzansprüchen“ der Abmahnenden – gemeint sind damit in erster Linie Rechtsanwaltskosten.
Zu dem fordern sie ein „Verbot der Vereinbarung von Vertragsstrafen bei erstmaligen Verstößen gegen gleichartige datenschutzrechtliche Informationspflichten“. Damit soll verhindert werden, dass derjenige, der eine Unterlassungserklärung unterschrieben hat und den Fehler wiederholt, dafür jedes Mal mit einer hohen Vertragsstrafe überzogen wird. Eine Verständigung auf diese Punkte, so der HDE, würde einen „Beitrag zur Minimierung von Risiken in Zusammenhang mit den Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (…) leisten“.
Entwurf in der Abstimmung
Aus dem federführenden Bundesjustizministerium hieß es auf Anfrage des Handelsblatts, der Referentenentwurf nach Eingang zahlreicher Stellungnahmen derzeit überarbeitet und befinde sich „gegenwärtig in der abschließenden Ressortabstimmung“.