o2 und Mercedes-Benz: Gemeinsames 5G-Netz im Aufbau
Der Pulverdampf der aktuellen 5G-Auktion ist vorüber, nun laufen die Vorbereitungen für die ersten 5G-Netze an, auch wenn es noch ein bisschen dauern kann, bis alle o2-Kunden davon profitieren können.
Der Autohersteller Mercedes-Benz, genauer die Tochterfirma Mercedes Benz Cars Operations ("MO") will zusammen mit dem Telekommunikationsunternehmen Telefónica Deutschland und dem Netzwerkausrüster Ericsson in der „Factory 56“ in Sindelfingen das wahrscheinlich weltweit erste 5G-Mobilfunknetz für die Automobilproduktion aufbauen.
Dazu wird in einem über 20000 Quadratmeter großen Bereich der Mobilfunkstandard 5G im Rahmen eines Innovationsprojektes erstmals in der laufenden Produktion eingesetzt. Die dort gemachten Erfahrungen sollen dann bei künftigen Einsätze in anderen Werken genutzt werden können.
Als Lizenz kommt eine sogenannte "Campus-Lizenz" zum Tragen, die Mercedes-Benz direkt bei der Bundesnetzagentur beantragen wird. Das Telekommunikationsunternehmen Telefónica Deutschland errichtet dann zusammen mit dem Netzausrüster Ericsson das 5G-Netz auf dem Gelände (lat. "Campus"). Nach Abschluss der Installation und Inbetriebnahme wird das Netz von Mercedes-Benz Cars betrieben.
Telefónica versorgt Werksgelände mit Mobilfunk
Einblick in die Mercedes-Benz Automobil-Produktion. Künftig mit 5G-Unterstützung von o2?
Foto: Picture Alliance / dpa
Die Zusammenarbeit zwischen Telefónica und Mercedes-Benz (in Stuttgart eher als "der Daimler" bekannt) ist nicht neu. Schon länger telefonieren alle Daimler-Mitarbeiter im Netz von o2. Viele haben eine SIM-Karte mit zwei Rufnummern, darauf eine geschäftliche und eine private Nummer, die damit auf dem gleichen Handy zusammenlaufen. Die Festnetz-Durchwahl des Daimler-Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin landet dabei nicht mehr auf einem Schreibtisch-Telefon, sondern auf dem Firmen-Handy. Abgehend kann die zu signalisierende Rufnummer vor dem Gespräch eingestellt werden.
Die Mitarbeiter haben oft iPhones von Apple im Einsatz. Sie dürfen die Handys auch privat verwenden, aber es ist ihnen aus Datenschutzgründen untersagt, beispielsweise den Messenger Dienst "WhatsApp" auf ihren Handys zu installieren, da dieser bekanntlich das kompletten Gerätelefonbuch ausliest und auf eigenen Server außerhalb des Wirkungsbereichs der DSGVO abspeichert. Dabei könnten Rufnummern, die nicht für die Öffentlichkeit sind, in unbefugte Hände geraten.
Freuen sich auf die Zukunft
Jörg Burzer, Mitglied des Bereichsvorstands Mercedes-Benz Cars, Produktion und Supply Chain ist sichtlich stolz: „Mit der Factory 56 bauen wir nicht nur die smarte Automobilproduktion der Zukunft, sondern errichten auch das weltweit erste 5G-Mobilfunknetz für die Fahrzeugmontage. Als Erfinder des Automobils bringen wir die Digitalisierung in der Produktion auf ein neues Level. Mit der Installation eines lokalen 5G-Netzes wird die Vernetzung aller Anlagen und Maschinen in den Fabriken von Mercedes-Benz Cars künftig noch intelligenter und damit effizienter. Das eröffnet komplett neue Chancen für die Produktion.“
Wie erwähnt, haben Telefónica Deutschland und Mercedes-Benz Cars einige gemeinsame Erfahrungen. „Wir läuten das 5G-Zeitalter für den Industriestandort Deutschland ein und bauen das modernste Mobilfunknetz für eine der modernsten Automobilfabriken der Welt“, freut sich Markus Haas, CEO von Telefónica Deutschland. „Als Telekommunikationsanbieter und Partner für die Industrie verfügen wir über umfassende Erfahrungen bei privaten Netzwerken und modernen 5G-Lösungen, die wir nun in die Kooperation mit Mercedes-Benz Cars einbringen.“
"Das o2-Netz funktioniert gut"
Von teltarif.de befragte Mercedes-Benz-Mitarbeiter am Standort Stuttgart berichten, dass die o2-Netzabdeckung auf dem Werksgelände sehr gut und die Zuverlässigkeit des Netzes erstaunlich hoch sei, es gäbe keine Probleme. Das deckt sich auch mit anderen Informationen, wonach das "Daimler-Projekt" bei Telefónica eine äußerst hohe Priorität habe, "da darf nichts schiefgehen", so ein Insider zu teltarif.de.
5G-Netz soll smarte Produktion bei Mercedes erlauben
Der Aufbau einer eigenen Infrastruktur hat für Unternehmen wie Mercedes-Benz viele Vorteile und ist ein wichtiger Baustein bei der Umsetzung der smarten Produktion der Zukunft. Der Einsatz von 5G-Netztechnologie ermöglicht es Mercedes-Benz Cars unter anderem, in seiner Fabrik bestehende Produktionsprozesse durch neue Features zu optimieren. Dazu gehören zum Beispiel die Verknüpfung von Daten oder die Ortung von Produkten auf der Montagelinie. Sämtliche Prozesse werden durch das eigene Netz optimiert, noch robuster und können bei Bedarf kurzfristig an aktuelle Marktanforderungen angepasst werden.
Zudem vernetzt der Mobilfunkstandard Maschinen und Anlagen intelligent miteinander, um die Effizienz und Genauigkeit im Produktionsprozess zu unterstützen. Ein weiterer Vorteil der Nutzung eines lokalen 5G-Netzes besteht darin, dass sensible Produktionsdaten im eigenen Netz bleiben und nicht Dritten zur Verfügung gestellt werden müssen oder für Dritte sichtbar sind, gerade die Automobilbranche ist sehr sensibel, was Werksspionage betrifft.
Leistungsstarkes 5G-Netz mit Indoor-Antennen und 5G-Hub
Für diverse Testszenarien am Automobil der Zukunft lassen sich über das 5G-Netz binnen kürzester Zeit enorme Datenmengen (die Fachleute sprechen vom „Data Shower“ sinngemäß "Daten-Dusche") verarbeiten. Der Mobilfunkstandard 5G soll dazu schnelle Datenübertragungsraten im Gigabitbereich mit extrem kurzen Latenzzeiten und einer hohen Zuverlässigkeit liefern.
Um die volle Leistungsfähigkeit von 5G zu erreichen, sind kurze Wege notwendig. Dies sei nur mit einer lokalen Infrastruktur sichergestellt, die erstmals in der „Factory 56“ eingesetzt werden soll. Mit der „Factory 56“ baue der "Erfinder des Automobils" eine der modernsten Automobilproduktionen der Welt. Diese sei nicht nur durchgängig flexibel und "grün", sondern nutze auch intelligente und digitalisierte Technologien, um die Potenziale von Industrie 4.0 vollumfänglich zu nutzen, heißt es in Stuttgart und München dazu.
Beispielsweise sind Maschinen und Anlagen direkt miteinander vernetzt. Die Montageanlagen und die Fördertechnik sind "Internet of Things"-fähig. Dafür wird die „Factory 56“ von den Kooperationspartnern mit mehreren 5G Small Cell Indoor-Antennen sowie einem zentralen 5G-Hub ausgestattet.
Bedeutung der TK-Anbieter im Campus
Der Technik Chef von Telefónica Deutschland, Cayetano Carbajo Martín, sieht für o2 auf dem 5G-Industrie-Campus große Zukunftschancen
Foto: Telefónica Deutschland
Technikvorstand Cayetano Carbajo Martín von Telefónica Deutschland erläutert in einem Hintergrundgespräch die Bedeutung bei der Errichtung von privaten Netzen für das Unternehmen hat und welche Rolle Telekommunikationsanbieter dabei künftig spielen werden.
Cayetano Carbajo Martín: "Das Herz unserer Infrastruktur ist natürlich unser eigenes bundesweites Mobilfunknetz, mit dem wir die meisten Menschen in Deutschland miteinander verbinden. Daneben verfügen wir aber bereits über Expertise beim Bau und Betrieb von privaten Netzen und 5G Access- und Core-Lösungen. Daher sind wir neben dem Privatkundengeschäft auch ein wichtiger Partner für Geschäftskunden und die deutsche Industrie. Diese benötigen für ihre Prozesse teilweise eigenständige und in sich geschlossene Systeme, beispielsweise für die Produktion, Kommunikation in Echtzeit oder die Übertragung großer Datenmengen."
Campus: Großes Potenzial für Anbieter
Cayetano Carbajo Martín sieht enormes Potenzial – und damit ein Geschäftsmodell – für den künftigen Betrieb verschiedener Netzinfrastrukturen, sowohl für kleine, mittlere aber auch große Unternehmen. Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit seien vielseitig, von der Bereitstellung von Kommunikationsdiensten bis hin zu zusätzlichen Services für vertikaler Applikationen und einer noch engeren Zusammenarbeit. Diese Kooperationen lassen sich bereits mit 4G umgesetzen. Aufgrund Network Slicing ("Netz im Netz") hat 5G jedoch Potenzial, eigenständige Netzinfrastrukturen bereitstellen zu können. Das können eigenständige Campus-Lösungen auf lokaler Ebene sein oder auch bundesweite Angebote, die über einen separaten Network-Slice in unserem Netz angeboten werden.
Für Cayetano Carbajo Martín steht o2 bei 5G erst am Anfang, denn die nötigen Frequenzen wurden gerade erst versteigert. Nun gehe es darum, weitere Erfahrungen beim Bau und Betrieb von privaten 5G-Netzen zu sammeln. Telefónica möchte Unternehmen "maßgeschneiderte Lösungen für ihre Netzinfrastruktur" bereitstellen und im Rahmen von langfristigen Kooperationen für den weiteren Ausbau und die Wartung des Netzes zur Verfügung stehen.
Werden TK-Anbieter auf dem Campus gebraucht?
Viele fragen sich, ob man zur Errichtung oder den Betrieb von "privaten Campuslösungen" überhaupt noch die klassischen Telekommunikationsanbieter braucht. Dem widerspricht Carbajo Martín: "Auf jeden Fall, denn die Errichtung und der Betrieb von Netzinfrastrukturen ist alles andere als trivial. Hier braucht es die nötige Expertise sowie technische Ressourcen. Wir können Netze planen, bauen, betreiben und erweitern. Dabei kümmern wir uns um das Monitoring, die Instandhaltung und die Erweiterung oder Anpassung mit den jeweils neuesten Netzstandards. Denn ein Netz ist ein lebendiges Konstrukt, das einen kontinuierlichen Optimierungsbedarf hat. Und das allerwichtigste: Während der Produktion muss eine hohe Zuverlässigkeit des Netzes gegeben sein."
Für Cayetano Carbajo Martín ergänzen sich Unternehmen und Telekommunikationsanbieter optimal: Die Unternehmen wissen selbst am besten, dass sie für ihre moderne Produktion und Datenkommunikation eine leistungsstarke Netzinfrastruktur benötigen. Dafür haben sie häufig keine eigenen Experten im Haus. Und genau da kommen die TK-Anbieter als Partner ins Spiel: Sie sorgen dafür, dass das Netz errichtet und kontinuierlich auf dem aktuellsten Stand gehalten wird. Das sieht Carbajo-Martin als "Win-Win-Situation".
Die 5G-Frequenz-Auktion endete bei 6,55 Milliarden Euro. Mehr dazu lesen Sie in einer weiteren Meldung.