Diskussion

Pro & Contra: Ist die Einführung von 5G Broadcast wirklich nötig?

Mit 5G Broadcast steht einmal wieder ein neuer Rundfunkstandard in den Startlöchern. Was spricht für die Einführung, was dagegen? Zwei Meinungen aus der Redaktion im Pro & Contra.
Von /

In München ist bereits 5G Broadcast zu empfangen In München ist bereits 5G Broadcast zu empfangen
Foto: Media Broadcast
Mit 5G Broad­cast steht ein neuer Rund­funk­stan­dard in den Start­lö­chern. Aktuell gibt es erste Test­aus­strah­lungen in Bayern, weitere sind in NRW und Nach­bar­län­dern außer­halb Deutsch­lands geplant. 5G Broadcast sorgt für neue Möglich­keiten der Rund­funk­ver­brei­tung an mobile Endgeräte. Erstmals werden hierbei High-Power High-Tower (HPHT)-Anwendungen im Downlink-only-Modus über bestehende Rund­funk­sender möglich.

In München ist bereits 5G Broadcast zu empfangen In München ist bereits 5G Broadcast zu empfangen
Foto: Media Broadcast
Nicht nur auf Smart­phones und Tablets sollen die Ausstrah­lungen empfangbar werden, sondern auch auf herkömm­li­chen Fern­se­hern oder Radio­ge­räten. Doch bislang sind weder Geschäfts­mo­delle klar noch Fragen des Zugangs gelöst.

Darum disku­tieren zwei teltarif.de-Redak­teure darüber, ob die Einfüh­rung eines neuen Stan­dards just zu einem Zeit­punkt sinn­voll ist, wo der Aufbau von Sender­netzen für digital-terres­tri­sches Fern­sehen (DVB-T2) und Radio (DAB+), also den aktu­ellen digi­talen Rund­funk-Tech­no­lo­gien, noch nicht einmal abge­schlossen ist.

Pro und Contra

Markus Weidner
Pro
Markus Weidner
Ich sehe in 5G Broad­cast eine gute Möglich­keit, um einen einheit­li­chen IP-basierten digi­talen Über­tra­gungs­stan­dard für Radio und Fern­sehen zu schaffen. Mit dem Multi­cast-Verfahren, das ja auch schon für die IPTV-Ange­bote beispiels­weise von der Deut­schen Telekom und von Voda­fone im Fest­netz verwendet wird, gibt es auch keine Kapa­zi­täts­eng­pässe, wie sie bei klas­si­schem Strea­ming (also Punkt-zu-Punkt-Verbin­dungen) zwangs­läufig auftreten würde.

Tech­nisch wären solche Broad­cast-Lösungen auch über LTE schon machbar. Firmen wie Ericsson haben uns auf dem Mobile World Congress (MWC) und auf eigenen Veran­stal­tungen schon vor Jahren die Technik gezeigt. Warum LTE Broad­cast bis heute nicht reali­siert wurde, ist mir ein Rätsel. Natür­lich könnte man argu­men­tieren, dass die Mobil­funk-Provider dafür kein Geschäfts­mo­dell sehen. Wo aber ist der Unter­schied zu Magen­taTV & Co. im Fest­netz, wo natür­lich der Netz­be­treiber Programm­pa­kete vermarktet und somit auch etwas davon hat?

Wichtig wäre es frei­lich, für die Rund­funk­an­stalten eine eigene Sender­in­fra­struktur beizu­be­halten. Das ist aber auch mit 5G möglich, indem es eben eigene Netze speziell für den Rund­funk gibt, die unab­hängig von den klas­si­schen Mobil­fun­kern beispiels­weise von der jewei­ligen Landes­rund­funk­an­stalt oder von Media Broad­cast betrieben werden. Hier könnten die glei­chen Rege­lungen gelten wie für den Aufbau und Betrieb der DVB-T2- und DAB+-Sender­netze.

Der Vorteil gegen­über DVB-T2 und DAB+ ist beispiels­weise ein Rück­kanal, über den Zuschauer und Hörer direkt auf das Programm Einfluss nehmen können. Für die Rund­funk­an­stalten ergäbe sich eine einheit­liche Netz­in­fra­struktur für Fern­sehen und Hörfunk, und in mit Broad­cast unver­sorgten Gegenden könnte man als Backup auf klas­si­schen Mobil­funk mit "herkömm­li­chem" Strea­ming auswei­chen, ohne gleich einen zusätz­li­chen Über­tra­gungs­stan­dard unter­stützen und enorme Lauf­zeit­un­ter­schiede berück­sich­tigen zu können. Natür­lich darf es beim Über­gang zum klas­si­schen Mobil­funk für die Kunden nicht zu einer Kosten­falle kommen. Das ließe sich durch eine Sperre - ähnlich wie für Daten-Roaming - lösen.

DVB-T2 und DAB+ gebe ich keine sehr lange Zukunft. In der Schweiz ist das terres­tri­sche Fern­sehen schon in Kürze Geschichte und selbst ARD und ZDF bieten DVB-T2 nicht mehr flächen­de­ckend an, was ich für einen fatalen Fehler halte. DAB+ wird niemals die Flächen­ver­sor­gung errei­chen wie wir sie heute vom UKW-Rund­funk kennen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das Auto­radio irgend­wann selbst entlang von Bundes­straßen mögli­cher­weise stumm bleibt. Die Lösung könnte die bereits erwähnte Kombi­na­tion aus 5G Broad­cast und Strea­ming sein.

Michael Fuhr
Contra
Michael Fuhr
Was gab es nicht schon Versuche, um Fern­sehen per Rund­funk aufs Handy zu bekommen: DMB, DVB-H, DVB-T, DVB-SH - sie sind alle geschei­tert. Auch 5G Broad­cast oder besser die dahinter stehende Technik FeMBMS ist nichts Neues, schon aktuell wäre es mit 4G/LTE möglich, Rund­funk per Multi­cast zu über­tragen. Es fehlen aber Geschäfts­mo­delle. Die Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­kon­zerne inves­tieren Millionen in den Aufbau der Netze und benö­tigen zur Refi­nan­zie­rung Einnahmen aus High­speed-Daten­ver­trägen oder Flat­rates. Ein Groß­teil der Daten entfällt auf Medien-Strea­ming. T-Mobile hat in Öster­reich schon deut­lich gemacht, dass man an einem kosten­losen Zugang von Radio und Fern­sehen ohne SIM-Karte kein Inter­esse hat und wehrt sich mit Händen und Füßen gegen eine gesetz­liche Verpflich­tung, da eine solche die Umsätze schmä­lert. Am Ende droht ein Fiasko: Fernseh- und Hörfunk­an­bieter schi­cken Signale in die Luft, die auf keinem Smart­phone oder Tablet empfangen werden können, da die Mobil­funk­un­ter­nehmen den Zugang blockieren bezie­hungs­weise an eine SIM-Karte binden.

Bleiben andere Endge­räte wie Set-Top-Boxen, Fern­seher oder Radios. Doch hier ist die Einfüh­rung eines neuen Rund­funk­stan­dards unnötig wie ein Kropf, weil es im Vergleich mit den heutigen Verfahren keinen erkenn­baren Mehr­wert gibt. Zudem werden Konsu­menten, die man gerade zum Umstieg auf DAB+ beim Radio und DVB-T2 beim Fern­sehen bewegt, durch Diskus­sionen über einen erneuten Nach­folger völlig verun­si­chert. Für hybride Anwen­dungen wie Media­theken, Podcasts, perso­na­li­sierte Werbung oder den inter­ak­tiven Rück­kanal braucht man kein weiteres Rund­funk­system. Schon heute gibt es Apps oder Tech­no­lo­gien, die Broad­cast mit Broad­band verknüpfen - zum Beispiel HbbTV beim Fern­sehen oder RadioDNS beim Radio.

Sicher: Mit dem 5G-Broad­cast-Modus würden Streams wie Fußball­über­tra­gungen, die Millionen Zuschauer sehen, auf Smart­phones oder Tablets stabil laufen. Aber das kann man auch anders lösen: Mit einem Rund­funk-Chip für DVB-T2 und DAB+ in den mobilen Endge­räten, der bei hohen Stück­zahlen viel­leicht einen Euro pro Einheit kostet. Damit wäre auch der kosten­in­ten­sive Aufbau eines weiteren Rund­funk­netzes über­flüssig. In der Theorie ist das alles machbar, doch auch hier sind es die Telkos, die den freien Zugang von Rund­funk blockieren, da sie die Zugangs­kon­trolle über Smart­phones und Tablets für sich bean­spru­chen. Hinter vorge­hal­tener Hand habe ich von einem namhaften Hersteller erfahren, dass es sogar Droh­ge­bärden seitens der Mobil­funk­un­ter­nehmen gegeben haben soll, falls digi­tale Rund­funk­tech­no­lo­gien wie DAB+ oder DVB-T2 in Smart­phones verbaut würden. Man deutete an, alle Modelle des Herstel­lers aus dem Programm zu werfen. Da sich an einer solchen Haltung vermut­lich auch bei 5G Broad­cast nichts ändern wird, halte ich die Einfüh­rung zum momen­tanen Zeit­punkt für unsinnig.


Weitere Hinter­grund­in­for­ma­tionen lesen Sie in unseren Fragen und Antworten zu 5G Broad­cast. Ihnen fehlt ein Argu­ment und Sie möchten mitreden? Schreiben Sie einen eigenen Beitrag oder disku­tieren Sie mit anderen Usern im Forum.

Mehr zum Thema 5G