Editorial: Die Entwicklung als Dauerlauf
Die Entwicklung als Dauerlauf
Bild: Telekom
Es gibt immer wieder Meldungen, die deutlich machen, wie langsam sich
die Mobilfunk-Welt in vieler Hinsicht entwickelt. Der Mobilfunk
der vierten Generation, LTE, wurde
2010 gestartet. Inzwischen schreiben wir
2016, LTE hat sich wie geplant zum
Standard-Datennetz entwickelt, über das
die Mehrheit aller mobilen Datenverbindungen abgewickelt wird. Aber
einiges ist weiterhin merkwürdig rückständig. So
telefoniert nur eine Minderheit der Kunden
über LTE. An den Schnittstellen zwischen dem LTE- und dem
herkömmlichen 2G/3G-Sprachnetz gibt es selbst bei der Telekom
immer wieder Probleme. E-Plus-Kunden mussten
hingegen bis vor kurzem warten, um
LTE auch im Roaming verwenden zu können.
Und man kann diese Probleme ja durchaus kombinieren, etwa für
VoLTE im Direktroaming mit Prepaidkarten.
Während also LTE/4G noch lange nicht fertig ist, arbeiten die Protagonisten bereits an der nächsten Mobilfunk-Generation, 5G. Diese soll die Vernetzung auf ein bisher unbekanntes Niveau treiben, wie wir in einem aktuellen Artikel beleuchten: 5G ist, wenn die Mülltonne einen Mobilfunk-Chip hat. Einige erwarten die 5G-Einführung noch vor 2020 - also zu einem Zeitpunkt, bis zu dem nach derzeitigem Entwicklungstempo noch nicht einmal bei 4G alles rund laufen wird. Faktisch werden dann 5G-Einführung und 4G-Weiterentwicklung parallel laufen. Schon relativ kurz nach dem 5G-Start werden die Netzbetreiber aber das Interesse am weiteren Ausbau der 4G-Netze verlieren. Am Ende droht 4G nie fertigzuwerden.
Natürlich soll vieles bei 5G schneller gehen als bei 4G. Insbesondere die Sprachdienste über 5G sollen nicht so lange auf sich warten lassen wie die in 4G. Schließlich soll 5G garantierte Reaktionszeiten im Bereich von wenigen Millisekunden bringen, bei direkter Geräte-zu-Geräte-Kommunikation sogar im Bereich von unter einer Millisekunde. Da sollte doch Sprache, die mit 10 oder 50 Millisekunden Verzögerung kein Problem hat, doch ein leichtes sein?
Nun, zu erwarten ist tatsächlich, dass der Sprachdienst VoLTE in den kommenden drei bis vier Jahren fertig entwickelt wird. Auf dieser Basis dann Vo5G ab Anfang auch in den 5G-Netzen verfügbar zu haben, sollte möglich sein. Doch ob, wie zuvor geschrieben, alle Netzbetreiber alle 4G-Basisstationen und alle Smartphone-Hersteller alle LTE-Smartphones noch voll VoLTE-fähig aufrüsten werden, bleibt abzuwarten. Haben wir damit am Ende den Zustand, dass 5G hält, was 4G verspricht, nämlich hochqualitative paketvermittelte Sprachdienste, die auch bei schlechter Empfangssituation dank geeigneter Verfahren, insbesondere Fast Retransmission bei Empfangsstörungen, ein besseres Spracherlebnis bieten werden als derzeit 2G/3G?
Neue Dienste in weiter Ferne
Die Entwicklung als Dauerlauf
Bild: Telekom
Andere der für 5G propagierten neuen Anwendungen werden sich aber sicher
mit der Einführung wieder viel Zeit lassen. Bis sich selbstfahrende
Autos tatsächlich Autohersteller- und Netzbetreiber-übergreifend über
Mobilfunknetze an unübersichtlichen Stellen
gegenseitig vor Hindernissen und Gefahren warnen, wird voraussichtlich
mindestens so viel Zeit ins Land gehen, wie derzeit mit der Einführung
von VoLTE.
Die Ankündigeritis hängt damit zusammen, dass es im Mobilfunk mehrere Ausrüster gibt, die im starken Wettbewerb zueinander stehen, zugleich aber die Standards gemeinsam entwickeln. Das hat zwei Folgen: Zum einen werden neue Technologien schon zwangsläufig während der Standardisierungsphase öffentlich, nicht erst bei der späteren tatsächlichen Einführung. Und zum anderen versuchen Nokia, Ericsson, ZTE und Co., sich mit besonderer Technologie zu profilieren. Also wird entwickelt, was das Zeug hält, um möglichst viele Mobilfunkanbieter an sich zu binden. Bis die für die Präsentation auf der Messe mit Hochdruck entwickelte Technologie-Studie dann aber die für den kommerziellen Einsatz nötige Reife erlangt hat, vergehen aber noch viele Jahre mit zahllosen Test- und Verbesserungszyklen. Und das ist auch besser so.