Rückblick

Netscape Navigator: Vor 20 Jahren erschien der erste wichtige Browser

In den 1990er-Jahren war er der führende Internet-Browser: Der im Dezember 1994 veröffentlichte Netscape Navigator war auf fast allen internetfähigen Computern zu finden, bis er im Browserkrieg mit Microsoft unterging. Wir schauen zurück auf die Geschichte des Browsers.
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Netscape Navigator: Vor 20 Jahren erschien der erste wichtige Browser Netscape Navigator: Vor 20 Jahren erschien der erste wichtige Browser
Logo: Netscape
Nachdem Tim-Berners Lee 1989 am Forschungszentrum CERN bei Genf das von ihm entwickelte Konzept des World Wide Web vorgestellt hatte, stellte sich die Frage: Wie lassen sich die für das Web erstellten Hypertext-Seiten auf einem Computer speichern und anzeigen? Lee entwickelte dazu selbst die erste Webserver-Software sowie den ersten Webbrowser unter dem Namen "WorldWideWeb", der später - um Verwechslungen zu vermeiden - in "Nexus" umbenannt wurde. Er funktionierte allerdings nur auf einem Unix-Derivat und fand daher keine große Verbreitung.

Netscape Navigator: Vor 20 Jahren erschien der erste wichtige Browser Netscape Navigator: Vor 20 Jahren erschien der erste wichtige Browser
Logo: Netscape
Ein "Line Mode Browser" genanntes Programm lief zwar auf allen wichtigen Plattformen, war aber kommando­zeilen­basiert und hatte keine grafische Benutzeroberfläche. Eine etwas größere Verbreitung erlebte schließlich der "NCSA Mosaic", der ab 1993 entwickelt wurde und von dem sogar Microsoft eine Generallizenz kaufte, um eine Vorlage für einen eigenen Browser zu haben. Die Tage von Mosaic waren aber 1994 praktisch gezählt, als der leitende Entwickler Marc Andreessen aus dem Team ausstieg, um das Unternehmen "Netscape" zur Entwicklung eines eigenen Browsers zu gründen.

Von den Anfängen bis zum Marktführer

Ein Netscape-Logo von 1996 Ein Netscape-Logo von 1996
Bild: Netscape
"Netscape Communications" nannte sich das am 4. April 1994 gegründete Unternehmen, nachdem aus dem ersten Firmennamen der Begriff "Mosaic" gestrichen werden musste. Am 13. Oktober 1994 erschien noch unter dem "importierten" Namen "Mosaic Netscape" die Vorversion 0.9. Am 15. Dezember 1994 erblickte der Browser dann unter seinem endgültigen Namen "Netscape Navigator" in Version 1.0 das Licht der Welt.

Die ursprüngliche Idee, den Browser kostenlos abzugeben wurde fallen gelassen und der Netscape Navigator kommerziell verkauft. Akademische Institutionen und Non-Profit-Organisationen durften ihn gratis benutzen. Der Browser profitierte vom damaligen Internet-Boom und wurde zum ersten Quasi-Standard-Browser für das Web. In Deutschland war es recht einfach möglich, den Browser für private Zwecke kostenlos zu bekommen: Einerseits war er auf fast jeder Heft-CD von Computerzeitschriften und andererseits verteilten ihn Internet-Provider zusammen mit ihrer Einwahl-Software für Modem bzw. ISDN.

Eine erste wichtige Neuerung, die Netscape brachte, war die Anzeige von HTML-Frames: Andere Browser zeigten die komplette Seite erst an, wenn alle Grafiken geladen waren. Netscape lud zuerst das Frame, den Text und dann erst nach und nach die Bilder - so konnte der Nutzer schneller lesen. Auch Cookies, Proxy Auto-Config und JavaScript unterstützte der Browser früh. Mit Netscape Navigator erschien zum ersten Mal die Idee realistisch, dass fast alle Aufgaben webbasiert ausgeführt werden können und das darunter liegende Betriebssystem an Bedeutung verliert.

Ebenso wie andere Firmen (AOL, Compuserve, Microsoft) versuchte Netscape während der Boom-Jahre die Fokussierung auf nur einen Geschäftsbereich zu überwinden - das Ergebnis waren meist Webportale, auf denen die Nutzer Nachrichten lesen und einkaufen konnten sowie interessante - oder werbeträchtige - Websites vorgeschlagen bekamen.

Browser-Krieg mit dem Herausforderer Microsoft

Netscape-Webportal 1998 Netscape-Webportal 1998
Bild: Netscape
Nachdem Netscape für einige Jahre der Quasi-Standard-Browser war, wachte Microsoft auf. Die frühen Windows-Versionen bis einschließlich Windows 98 krankten daran, dass sie umfangreich mit Zusatzsoftware für Internet, Bildanzeige und Videos aufgepäppelt werden mussten. Der im August 1995 erschienene Internet Explorer war bis einschließlich Version 3 praktisch nicht sinnvoll nutzbar. Ab Windows 95 war er dann allerdings ein fester und kostenloser Bestandteil des Betriebssystems. Und damit begann der sogenannte Browserkrieg: Obwohl Netscape technisch weiterhin der führende Browser war, sahen viele eher unbedarften Nutzer keine Veranlassung mehr, ihn zu installieren, da Windows ja bereits "so einen Browser" hatte.

Netscape Navigator in Version 4 Netscape Navigator in Version 4
Bild: Netscape / Wikipedia
In der Anfangszeit litten insbesondere Webentwickler unter dem Krieg der Browser, weil sowohl Netscape als auch Microsoft sich nicht immer an gängige Web-Standards hielten, sondern einfach neue Techniken entwickelten mit der Hoffnung, dass diese durch den Marktanteil des eigenen Browsers zum allgemeinen Standard mutieren. In dieser Zeit konnte man Webseiten sehen, auf denen "Optimiert für Netscape" oder "Optimiert für Internet Explorer" oder beides stand.

Zwischen 1995 und 2003 ging der Marktanteil des Netscape Navigators von über 80 Prozent auf unter vier Prozent zurück, während gleichzeitig der Marktanteil des Internet Explorers von unter drei Prozent auf über 95 Prozent anstieg. An diesem Nutzerverhalten konnten auch Gerichtsprozesse von Netscape gegen Microsoft nichts ändern - die Windows-Macher aus Redmond konnten sich meist mit Geldzahlungen aus der Affäre ziehen. Microsoft wurde zwar dazu verurteilt, eine Windows-Version ohne Browser und Mediaplayer anzubieten, doch diese war nicht auf PCs vorinstalliert und wurde von den Verbrauchern ignoriert.

Der Abstieg: Verkauf an AOL und Open-Source-Projekt

Deutsches Portal im Jahr 2003 Deutsches Portal im Jahr 2003
Bild: Netscape
1997 erweiterte Netscape seinen Browser um Mailprogramm, HTML-Editor und Messenger und nannte das Softwarepaket "Netscape Communicator". Auch dieses lag auf breiter Basis Heft-CDs von Zeitschriften und Zugangssoftware bei. Doch signifikante Marktanteile konnte Netscape nicht mehr hinzugewinnen.

1998 schließlich übernahm AOL die angeschlagene Browser-Schmiede und pflegte die Software noch ein paar Jahre weiter. 2007 war dann allerdings endgültig Schluss mit der Entwicklung und daran war interessanterweise nicht nur Microsoft schuld.

Denn kurz vor der Übernahme durch AOL stellten die Entwickler den Quellcode unter dem Namen "Mozilla" ins Internet - aus der auf Netscape basierenden "Mozilla Application Suite" entstanden später der Firefox-Browser und das Mailprogramm Thunderbird. AOL veröffentlichte 2008 nochmals einen Browser namens "Netscape Navigator 9", dieser basierte technisch aber bereits auf Mozilla Firefox 2.0 und hatte mit dem alten Browser nur noch den Namen gemein.

Internet-Nutzer der 1990er-Jahre haben Netscape als ersten zuverlässigen Browser in Erinnerung und sein trauriges Ende hat interessanterweise den Weg für die Open-Source-Entwicklung gebahnt, die es zwar vorher schon gab. Die Software-Produkte von Mozilla erfreuen sich heute weltweit großer Beliebtheit, auch wenn vom alten Netscape-Code mittlerweile nur noch wenig übrig sein dürfte.

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