1&1

Editorial: Konkurrenz großpäppeln

1&1 hat zwar eine Mobil­funk­lizenz, die reicht aber nicht aus. So muss Dommer­muth mit der Konkur­renz schwie­rige Verhand­lungen über Natio­nales Roaming führen.
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Drillisch braucht beim Netzaufbau Partner Drillisch braucht beim Netzaufbau Partner
Bild: 1und1 Drillisch, Montage: teltarif.de
1&1/Dril­lisch ist nach den drei Mobil­funk­netz­betrei­bern Telekom, Voda­fone und Telefónica/o2 Deutsch­lands größter Mobil­funk­anbieter. Bisher verfügt 1&1 jedoch über kein eigenes Mobil­funk­netz, sondern mietet Kapa­zitäten der großen Netz­betreiber, vor allem von Telefónica. Doch das soll sich nun ändern: Dieses Jahr sollen die Vorbe­reitungen für den eigenen Netz­aufbau abge­schlossen werden, kommendes Jahr geht es dann wohl los.

Bei Null anfangen muss 1&1 mit dem Netz­ausbau übri­gens nicht: Die bereits vor Jahren über­nommene Versatel brachte ein modernes Glas­faser­netz mit, das 1&1 konse­quent weiter ausge­baut hat, um vor allem Geschäfts­kunden direkt anzu­binden. Dieses Netz eignet sich natür­lich auch zur Versor­gung der künf­tigen eigenen Mobil­funk-Basis­stationen. Und als Deutsch­lands führender Webhoster verfügt 1&1 auch über erheb­liche Erfah­rungen mit dem Betrieb von Rechen­zentren und über ausrei­chende eigene Cloud-Kapa­zitäten für den Betrieb des Mobil­funk-Kern­netzes. Und Mobil­funk­lizenzen hat 1&1 bereits letztes Jahr erworben.

Vom Prinzip her müsste 1&1/Dril­lisch also nur noch Basis­stationen in der Land­schaft verteilen und dann könnte es sofort losgehen. Doch der Teufel steckt bekann­termaßen oft im Detail, bei Dril­lisch vor allem in den erwor­benen Lizenzen: Unter 2 GHz ist da nämlich nichts. Das Netz, das Dril­lisch damit aufbauen kann, wäre entweder super-teuer, weil Dril­lisch etwa so viele Basi­stationen aufbaut, wie die Konkur­renz insge­samt betreibt, oder es wäre super-lücken­haft.

Natio­nales Roaming als Lösung?

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Bild: 1und1 Drillisch, Montage: teltarif.de
So ist es kein Wunder, dass 1&1-Chef Dommer­muth mit den Konkur­renten darüber verhan­delt, deren Netz per natio­nalem Roaming für die eigenen Kunden mitnutzen zu dürfen: Die Smart­phones der 1&1-Mobil­funk­kunden würden dann die Daten bevor­zugt über die konzern­eigenen Basis­stationen über­tragen, aber in den Funk­löchern des neuen Netzes auf die Basi­stationen des Netz­part­ners auswei­chen.

Es gibt viele Gründe, warum die Konkur­renz diese Lösung wenig prickelnd findet. Betriebs­wirt­schaft­lich ist es für keinen der Netz­betreiber sinn­voll, einen Konkur­renten per natio­nalem Roaming "groß­zupäp­peln". Dass die Konkur­renten über­haupt mit 1&1 verhan­deln, liegt daher nur an der gesetz­lich fest­geschrie­benen Pflicht zu eben­solchen Verhand­lungen. Würden sie gar nicht auf die Anfragen von Dril­lisch reagieren, würden am Ende die Bundes­netz­agentur und die Gerichte über natio­nales Roaming entscheiden - und dann mit hoher Wahr­schein­lich­keit nicht gerade zugunsten des Part­ners, der die Verhand­lungen komplett blockiert hat.

Aber auch tech­nisch ist natio­nales Roaming alles andere als einfach zu imple­mentieren: Bei Telefónica/o2 wurde es nach der Über­nahme des Netz­betrei­bers E-Plus zwar recht schnell frei­geschaltet, führte dann jedoch gerade an Hotspots zu massiven Kapa­zitäts­engpässen: Smart­phones, die sich von einer E-Plus- zu einer o2-Basis­station (oder umge­kehrt) umbuchten, produ­zierten nämlich viel mehr Aufwand im Back­bone als Zell­wechsel zwischen benach­barten E-Plus- oder o2-Stationen. So kam es zur Über­lastung der Signa­lisie­rungs­kanäle. In der Folge konnten die Nutzer an vielen Hotspots dann weniger Daten über­tragen, als wenn man die Netze vorerst getrennt gehalten hätte.

Ohne die tiefen Frequenzen wird es Dril­lisch nicht nur auf dem Land, sondern auch in den Städten nicht gelingen, zu vernünf­tigen Kosten ein dichtes Netz aufzu­bauen. Um auch Souter­rain-Wohnungen oder Stra­ßenzüge im Funk­schatten großer Stahl­beton­bauten zu versorgen, sind die nied­rigen Frequenzen in den Berei­chen bei 700, 800 und 900 MHz einfach viel besser geeignet. Das wiederum bewirkt, dass das natio­nale Roaming für Dril­lisch ähnlich engma­schig ausfallen muss wie bei der Netz­inte­gration von E-Plus und o2.

Eigener Netz­ausbau für den Partner

Die genannte tiefe Netz­verflech­tung bedeutet für den Netz­betreiber, der Roaming-Partner von 1&1 wird, jede Menge Signa­lisie­rungs­verkehr. Der skaliert beim kommenden 5G-Netz zwar sicher besser als bei 3G/UMTS, wo es bei Telefónica damals vor allem die Probleme gab. Nur: Ohne eigenen forcierten Netz­ausbau, vor allem in den Berei­chen Kern­netz/Signa­lisie­rung und 5G bei 700/800/900 MHz, wird es dem Roaming-Partner von Dril­lisch schwer­fallen, die Service-Qualität gegen­über den eigenen Kunden zu halten!

Gerade Telefónica, bisher Netz­partner der Wahl von 1&1, ist immer noch damit beschäf­tigt, die Inte­gration von E-Plus- und o2-Netz endlich abzu­schließen und ein zeit­gemäßes flächen­deckendes 4G/LTE-Netz in Deutsch­land aufzu­bauen. Von 5G sieht man daher bei Telefónica noch so gut wie nichts. Dieses 3G/4G-Netz schon kommendes Jahr per natio­nalem Roaming mit einem im Eiltempo neu aufge­bauten 5G-Netz von Dril­lisch zu verknüpfen, auf das dann auch noch gleich Aber­millionen bestehende 1&1- und Dril­lisch-Kunden portiert werden, könnte aber­mals im Chaos enden.

Telekom und Voda­fone sind beim 5G-Netz­ausbau deut­lich weiter, haben jeweils etwas weniger Kunden als Telefónica, jeweils ein etwas gerin­geres Gesamt-Daten­volumen und zugleich jeweils eine etwas bessere Frequenz­ausstat­tung im unteren Bereich. Das spricht eigent­lich alles dafür, dass Dommer­muth mit diesen beiden verhan­delt. Nur deren Verhand­lungs­bereit­schaft ist nach Angaben von 1&1 beson­ders gering. Telefónica hat hingegen ein Inter­esse, die bisher für 1&1/Dril­lisch im eigenen Netz geschal­teten Kunden zumin­dest teil­weise zu behalten, nämlich in den Gebieten außer­halb der Reich­weite des neuen Dril­lisch-Netzes. Und mit natio­nalem Roaming hat Telefónica inzwi­schen mit Abstand am meisten Erfah­rung in Deutsch­land. Viel­leicht hilft letz­teres ja, die Fehler vom letzten Mal zu vermeiden.

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